Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 96

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dieser Länder. Eine Senkung der Sozialstandards in Europa wäre, wie alle Erfahrungen zeigen, keineswegs gleichbedeutend mit einer Anhebung der sozialen Standards in den armen Ländern dieser Welt. Daher können wir diesem Verständnis von Globalisierung in keiner Weise beipflichten. Wir sind auch nicht bereit, die bitteren Konsequenzen einer rücksichtslosen Politik für die Arbeitnehmer und die ärmeren Schichten der Gesellschaft ganz einfach hinzunehmen.

Nebenbei sei noch bemerkt: Wir sind auch nicht bereit, die Neutralität Österreichs für militärische Strategien, die letztlich auf eine Absicherung dieser sozial schädlichen Aspekte der Globalisierung hinauslaufen, in Frage zu stellen. Als Gewerkschafter vertrete ich im Gegensatz dazu die Meinung, daß diesen Prozessen der Globalisierung, der Deregulierung, der Liberalisierung soziale und umweltpolitische Grenzen gesetzt werden müssen, und zwar rechtzeitig! Nur dadurch können internationale Sicherheit und Entwicklung vorangetrieben werden.

Was bedeutet das in der Praxis? – Das bedeutet unsere Unterstützung der Bemühungen, eine soziale Dimension in die Handelspolitik einzubauen, und das bedeutet, darauf zu achten, daß es zu einer Verbindung der Liberalisierung im Welthandel und der grundlegenden Arbeitsstandards, wie sie in den Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation enthalten sind, kommt. Ich denke in diesem Zusammenhang an die von der internationalen Gewerkschaftsbewegung geforderte Sozialklausel, die nicht als Instrument zur Durchsetzung eines neuen Protektionismus, sondern als Mechanismus zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Ausschaltung der Kinderarbeit verstanden werden sollte.

Ich denke auch an einen verbindlichen Verhaltenskodex für multinationale Konzerne oder an eine internationale Vereinbarung über die Besteuerung von Spekulationskapital, wie sie etwa vom amerikanischen Nobelpreisträger Tobin vorgeschlagen wurde. Ich denke weiters an Maßnahmen zur Unterstützung für Bemühungen zur Abschreibung der Schulden der Dritten Welt, deren Höhe und Zahlungsbedingungen arme Nationen davon abhalten, Kapital für Wachstum und Sozialprogramme in ihren Ländern bereitzustellen.

In diesem Zusammenhang muß auch positiv auf den österreichischen Beschluß verwiesen werden, einigen der ärmsten Länder Afrikas die Schuldenrückzahlung zu erlassen. Ein Versprechen unseres früheren Bundeskanzlers Vranitzky vor dem Sozialgipfel in Kopenhagen ist somit erfüllt worden.

Nicht zuletzt muß Globalisierung auch die weltweite Weiterentwicklung der gewerkschaftlichen Organisationsfreiheit bedeuten, nämlich die Freilassung aller Kolleginnen und Kollegen, die wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten in den Gefängnissen vieler Staaten sitzen und Repressionen unterworfen sind. Ich erneuere in diesem Zusammenhang unsere Forderung nach einer sofortigen Freilassung unseres indonesischen Gewerkschaftskollegen Mukhtar Pakpahan sowie der seit Jahren ohne Gerichtsverfahren inhaftierten Erdölarbeiter um Frank Kokori in Nigeria. Ich ersuche daher Sie, Frau Staatssekretärin, aber auch den Herrn Außenminister, gegenüber den Regierungen in Jakarta beziehungsweise in Abuja alle diplomatischen Mittel einzusetzen, um die Freilassung dieser Kollegen durchzusetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Präsentation des Außenpolitischen Berichtes 1996 muß daher für uns ein Anlaß sein, über die Tagesaktualitäten hinauszublicken und wiederum die Grundfragen der gesellschaftlichen Entwicklung zu stellen: Wie können Armut und Unterentwicklung bekämpft werden? Wie können die hohen Ziele, die sich die Vereinten Nationen in ihrer Menschenrechtserklärung gesetzt haben – Sie haben diese bereits erwähnt, Frau Staatssekretärin! –, verwirklicht werden? Wie können für alle Menschen Leben und Arbeit in Würde gesichert werden? – Ich hoffe, daß diese Fragen von der österreichischen Außenpolitik in den nächsten Wochen und Monaten in einem Geist der Solidarität und der Arbeitnehmerrechte unterstützt und beantwortet werden können! (Beifall bei der SPÖ.)

16.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.


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