Bundesrat Stenographisches Protokoll 631. Sitzung / Seite 71

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Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

13.46

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Giesinger hat in ihren Ausführungen schon darauf hingewiesen, daß wir heute das Bundesgesetz novellieren, das sich mit der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt, und daß auch das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert wird, um vor allem Arbeitsstiftungen weiterhin zu ermöglichen, und zwar besonders im Bereich der Lebensmittelverarbeitung.

Die heute vorliegende Novellierung wurde notwendig, um die sich im täglichen Betrieb ergebenden Probleme bei der Umsetzung der EU-Richtlinien betreffend Neuregelung der Wochenfreizeit zu entschärfen. Besonders betroffen davon waren alle jene Branchen, die sich mit der Produktion und Verarbeitung von frischen Lebensmitteln zu beschäftigen haben, wie Fleischer, Konditoren, Molkereien und Bäcker.

Des weiteren – das möchte ich auch hier aufzeigen – wurde eine Sonderregelung für den 8. Dezember geschaffen, wenn dieser auf einen Werktag fällt. Der Jugendliche kann künftig am 8. Dezember beschäftigt werden, wenn es eine diesbezügliche Regelung im Kollektivvertrag gibt. Ich möchte aber unterstreichen, daß auch der Jugendliche das Recht hat, seine Beschäftigung abzulehnen, ohne daß ihm dadurch ein Nachteil entsteht.

Die vorliegende Novelle gibt nun auch jenen Unternehmen und Betrieben die Möglichkeit, Lehrlinge einzustellen, die bisher immer die Meinung vertreten haben, dies aufgrund ausbildungshemmender Bestimmungen und Vorschriften nicht tun zu können, so wie das auch Kollegin Giesinger erwähnt hat. Ich bin froh darüber, daß die Ausbildungsbetriebe, daß sehr viele Unternehmer – da insbesondere die Vorarlberger Unternehmer – nicht so handeln, wie Kollegin Giesinger das hier dargestellt hat. Sie hat in diesem Zusammenhang nämlich ein durchaus negatives Bild gezeichnet.

Es ist sonst nicht meine Art, einen Betrieb besonders hervorzustreichen, aber ich darf hier doch die Firma Blum erwähnen. Der Verantwortliche, Herr Dipl.-Ing. Blum, ist ein Vorzeigeunternehmer. Er liefert ein Beispiel dafür, wie man Lehrlinge qualitativ, kreativ und in die Zukunft orientiert ausbildet. Das war auch der Grund dafür, warum ihm die Gewerkschafter und die Arbeiterkammern vor zirka 14 Tagen den sogenannten Benya-Facharbeiterpreis verliehen haben.

Immer wieder ist auch davon die Rede, daß die Bürokratie, die mit der Lehrlingsausbildung verbunden ist, und die Kosten der Lehrlingsausbildung die Ursachen des Lehrstellenmangels sind. Die Arbeiterkammer Wien hat vor kurzem das IHS, das Institut für Höhere Studien, beauftragt, die betrieblichen Kosten der Lehrlingsausbildung zu erheben.

Über 1 000 Ausbildungsbetriebe wurden gefragt. Das Ergebnis lautet: 35 bis 40 Prozent der Lehrbetriebe haben Nettoerträge aus der Lehrausbildung, die in manchen Branchen sogar bis 200 000 S gehen.

Die Studie zeigt also, daß die Kosten der Lehrausbildung sicherlich kein glaubwürdiges Hindernis sein können, Lehrlinge einzustellen und auszubilden, müssen doch – das haben wir erst vor wenigen Wochen beschlossen – Lehrbetriebe nun keinen Unternehmerbeitrag zur Krankenversicherung für Lehrlinge mehr zahlen, und das Alter, bis zu dem besondere Schutzbestimmungen für Jugendliche gelten, wurde von 19 auf 18 Jahre gesenkt.

Der Hinweis der Kollegin Giesinger, daß Lehrlinge doch bis 23 oder bis 24 Uhr im Fremdenverkehr arbeiten können sollten, hat folgenden Hintergrund: Sollten nämlich Lehrlinge bis 23 oder 24 Uhr im Gastgewerbe, im Fremdenverkehr beschäftigt werden dürfen, würde das mindestens 4 000 älteren erwachsenen Kolleginnen und Kollegen den Arbeitsplatz kosten. Daher findet es auch nicht unsere Zustimmung, daß die Fremdenverkehrswirtschaft und das Gastgewerbe Jugendliche bis Mitternacht beschäftigen können. Außerdem ist auch die Lernmöglichkeit zu dieser Zeit sicherlich schon auf dem Nullpunkt angelangt.


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