Bundesrat Stenographisches Protokoll 631. Sitzung / Seite 74

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tung oder haben Sie sie und die ÖVP? Wenn Sie uns hier in einem Zusammenhang angreifen, wo Sie die Legislative haben, dann ist mir das nicht ganz klar. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Drochter. )

Inhaltlich kann ich mich in meinen Ausführungen jenen der Kollegin Giesinger voll anschließen. Sie hat die Dinge für die Wirtschaft auf den Punkt gebracht, und ich werde mir in meinen Ausführungen ersparen, dies noch einmal im einzelnen zu erwähnen. Sie hat sicher recht, wenn sie derzeit bestehende Rahmenbedingungen, in Frage stellt beziehungsweise kritisiert.

Ich möchte von meiner Position aus schwerpunktmäßig zu den Schutzbestimmungen Stellung nehmen. Wir werden – das möchte ich vorausschicken – dieser Vorlage heute zustimmen, es kann aber nicht ohne einige kritische Anmerkungen gehen.

Der Bereich Kinder- und Jugendschutzbestimmungen ist – so erlebe ich es zumindest immer wieder – fast ein Tabuthema, an dem man nicht kratzen darf, das man nicht hinterfragen darf. Selbstverständlich ist alles zu unterbinden, was die psychische und physische Entwicklung der Jugendlichen behindert oder schädigt. Andererseits ist es aber auch, glaube ich, legitim, zu hinterfragen, ob bestehende Gesetze noch zeitgemäß sind. Die Regelung der Wochenendruhezeit ist für mich so ein Beispiel. Ich werde Ihnen auch gerne sagen, warum.

Betrachte ich aus meiner beruflichen Tätigkeit an einer weiterführenden höheren Schule das Stundenausmaß, das Schüler haben, die berufsbildende höhere Schulen besuchen oder auch eine AHS, und vergleiche ich sie mit der Arbeitszeit der Lehrberufe, dann kann ich sicher eines feststellen: Schüler in weiterführenden Schulen sind einer wesentlich stärkeren Belastung ausgesetzt. Sie haben keine 43 Stunden, um Wochenende und Freizeit zu genießen und sich auszuruhen, und trotzdem gehen diese Jugendlichen gerne in die Schulen, sind voll motiviert und dadurch auch belastbar.

Junge Menschen in der Lehre, die die Lehre ergriffen haben, die ihnen Spaß macht, zu der sie stehen, zeigen, glaube ich, genau das gleiche Verhalten. Sie haben einen Motivationszugang, und sie wollen etwas lernen, sie wollen ihren Beruf erlernen. Und dieses Wollen treibt sie an, das bringt sie zur Leistung. Das hat aber nichts mit Ausbeutung zu tun.

Irgendwie kommt mir auch vor, daß so unterschwellig immer wieder ein gewisser Klassenkampf zu erkennen ist: Hier der ausbeutende Unternehmer, dort der ausgebeutete junge Mensch, der den Schutz der Gesellschaft braucht. Ich kann es nur wiederholen: Schutzbestimmungen dort, wo Schutz gewährt werden muß!

Generell zu hinterfragen ist aber, ob sich nicht auch die Lebenssituation unserer jungen Leute geändert hat. Als Beispiel möchte ich die Arbeitszeit im Gastgewerbe anführen, für die eine Ausweitung bis 23 Uhr diskutiert wird. Unsere Jugendlichen, unsere 16-, 17jährigen sind um diese Zeit noch unterwegs, sie genießen auch die Abendstunden. Sie haben einen anderen Lebensrhythmus und wissen auch, wenn sie ihren Beruf auswählen, welche Vor- und Nachteile diese Berufe haben. Ein junger Mensch, der einen Pflegeberuf wählt, weiß, daß er früher oder später auch Nachtdienst machen muß, ein junger Mensch, der das Gastgewerbe auswählt, weiß, daß auch am Abend Gäste da sind. Dieser Problematik ist er sich bewußt.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, meinen, daß Jugendliche vielleicht mit falschen Vorstellungen an Berufe herangehen, die Schwierigkeiten, die Probleme nicht erkennen, dann würde ich Sie bitten, unseren Forderungen nach einem berufspraktischen Jahr zuzustimmen, durch welches die jungen Menschen die Möglichkeit hätten, Berufe kennenzulernen, wirklich vor Ort hineinzuschnuppern und so umfassende Erfahrungen zu machen. (Bundesrätin Schicker: Das passiert ja auch!) Aber nicht im ausreichenden Ausmaß. Mir wird von den jungen Menschen zumindest immer berichtet, daß sie Defizite haben, um die Tiefe und das umfassende Arbeitsfeld wirklich wahrnehmen zu können.

Ich glaube – und das ist auch der Grund, warum wir dieser Vorlage die Zustimmung geben werden –, daß es hier zu einer Verbesserung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt, aber meine


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