Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 14

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812/M-BR/97

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um in Ihrem Zuständigkeitsbereich der wachsenden Armut entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Vielleicht etwas Grundsätzliches zuerst gesagt: Armut ist ein relativer Begriff, der mit der gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung und auch dem sozialen Anspruchsniveau korreliert. Etwas, was wir im Jahre 1970 als allgemeinen Wohlstand für den Großteil der Bevölkerung betrachtet haben, kann aus heutiger Sicht dazu führen, daß bestimmte Gruppen in unserer Gesellschaft bereits als ausgegrenzt betrachtet beziehungsweise unter soziale Armut oder Einkommensschwache eingereiht werden. Ich wollte damit nur aufzeigen, daß wir unsere Ansprüche im Hinblick darauf, welche Gruppen wir als armutsgefährdet bezeichnen, doch sehr relativieren müssen, worüber ich sogar froh bin.

Wir sind leider mit der Gefahr einer wachsenden Armutsgefährdung konfrontiert. Dies betrifft insbesondere folgende Gruppen: Langzeitarbeitslose, langzeitarbeitslose Alleinverdiener und Familien mit mehreren Kindern, in denen es Arbeitslosigkeit gibt. Auch Gastarbeiterfamilien gehören zu dieser gefährdeten Gruppe. Es sind aus meiner Sicht in einem großen Ausmaß beschäftigungspolitische Maßnahmen zu setzen, um zu erreichen, daß eben Arbeitslosigkeit mit allem, was uns nur möglich ist, bekämpft wird, daß die Qualifikationen und damit die individuellen Erwerbschancen verbessert werden.

Ich möchte auch darauf verweisen, daß unser Sozialversicherungssystem eine Reihe von Mindestsicherungsmaßnahmen in Richtung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung vorsieht, sowohl in der Pensionsversicherung – ich denke etwa an die Ausgleichszulage – als auch in anderen Formen. In Form des Pflegegeldes haben wir eine zusätzliche Leistung durchsetzen können, die die materielle Situation von pflegebedürftigen Personen doch deutlich verbessert.

Ich glaube aber, daß schon darauf zu verweisen ist, daß wir in Form von zwei Netzen die Armutsgefährdung zu bekämpfen haben: einerseits mit dem Netz der Sozialversicherung, also dem bundesgesetzlichen Bereich, andererseits durch die Sozialhilfe der Bundesländer, die individuell hilft, weil durch bundesgesetzliche Regelungen sicherlich nicht jeder einzelne Fall befriedigend gelöst werden kann. Es ist somit, wie ich meine, in beiden Bereichen eine Weiterentwicklung dort notwendig, wo Bedarf gesehen wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Gerade in bezug auf die Arbeitslosigkeit stehen wir heute vor der Situation, daß gerade große Unternehmen immer höhere Gewinne machen, aber gleichzeitig Arbeitsplätze abbauen. Frau Ministerin! Was könnten Sie Ihrer Meinung nach tun, um dem entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wir haben versucht, insbesondere für die Gruppe der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Sonderregelungen zu schaffen, wie zum Beispiel das Bonus-Malus-System. Gerade im Rahmen der im Nationalrat verabschiedeten Pensionsreform sind eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen, aber auch sozialversicherungsmäßigen Maßnahmen vorgesehen, um diese Gruppe besonders zu schützen und auch abzusichern.

Was das Verhalten von Teilen der Wirtschaft betrifft, teile ich Ihre Kritik. Man muß allerdings auch eine Differenzierung vornehmen, weil der Abbau von Beschäftigten in der Industrie zum Teil auch dadurch bedingt ist, daß einzelne Betriebsbereiche von Industrieunternehmen und somit auch die Beschäftigten ausgelagert – dies wird als Outsourcing bezeichnet – und dann einer


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