Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 123

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Die Osterweiterung spielt eine wesentliche, wenn nicht eine zentrale Rolle in dieser "Agenda 2000". Man muß auch festhalten, daß es sich um Beitrittskandidaten handelt, die ausnahmslos zukünftige Nettoempfänger sind.

Die "Agenda 2000" wird unter folgenden Hintergründen präsentiert:

Erstens: Die Arbeitslosigkeit ist in den 15 EU-Mitgliedstaaten mit 18 Millionen Arbeitslosen unannehmbar hoch. Dennoch ist die Tendenz weiterhin steigend. Ich zitiere Jean-Claude Juncker zum Beschäftigungskapitel: Es handelt sich um Worthülsen, und alle bisherigen Beschäftigungsgipfel haben nichts gebracht.

Zweitens werden zu hohe Erwartungshaltungen an die EU-Strukturfonds gerichtet. Diesbezüglich zitiere ich Herrn Bernhard Friedmann, den Präsidenten des Europäischen Rechnungshofs, der folgendes sagt: Mit Mitteln des Strukturfonds hätten seit 1989 etwa 6 Millionen Arbeitsplätze entstehen müssen. – Allerdings kann der Herr Präsident diese 6 Millionen Arbeitsplätze nirgends finden.

Drittens: Sparpakete in Verbindung mit fiskalpolitischen Kunstgriffen, wie zum Beispiel die Eurosteuer in Italien, die Goldverkäufe in Belgien und große Einschnitte bei Sozialleistungen in ganz Europa zur Erreichung der Konvergenzkriterien dokumentieren die finanziellen Engpässe der nationalen Haushalte von zumindest 14 der EU-Mitgliedstaaten.

Deutschland verlangt eine faire Lastenverteilung in Europa und will künftig seine Zahlungen an Brüssel reduziert haben. Das ist einem Bericht aus dem "Spiegel" 31/1997 zu entnehmen.

Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner gibt folgendes zu – das entnehme ich der "Presse" vom 2. 8. 1997 –: Beim deutschen Weg, netto weniger zahlen zu wollen, werde ich mich gerne anschließen.

Anders hingegen spricht unser Finanzminister Edlinger, der eine Herabsetzung der EU-Mitgliedsbeiträge für völlig unrealistisch hält – das habe ich dem "Kurier" vom 31. 7. 1997 entnommen –, aber Luxemburg und Dänemark, die das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der 15 EU-Mitgliedstaaten haben, sind Nettoempfänger. (Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Als vierten Punkt möchte ich festhalten: Vier Jahre, nachdem der Binnenmarkt offiziell gegründet wurde, ist er erst zu 50 Prozent komplett. Nur 65 Prozent, meine Damen und Herren, der bereits bestehenden Gesetze wurden bisher auch in allen Mitgliedstaaten umgesetzt. Die Steuerharmonisierung – eine wesentliche Voraussetzung, damit die Funktionsfähigkeit des gemeinsamen Marktes überhaupt funktioniert – ist weiterhin ausständig.

Der Amsterdamer Vertrag hat keine Antwort auf die Institutionsfrage gebracht, obwohl gerade dies der Mittelpunkt der Reform und die primäre Zielsetzung dieser Regierungskonferenz gewesen wäre.

Und als sechsten und letzten Punkt möchte ich anführen: Die geplante EU-Osterweiterung wird die Bevölkerung um mehr als ein Viertel, das heißt, auf nahezu 500 Millionen anwachsen lassen; jedoch beachten Sie bitte folgendes: Das gesamte Bruttoinlandsprodukt wird jedoch nur um knapp 5 Prozent wachsen.

Die "Agenda 2000" sieht weiterhin vor, daß die bisherige Eigenmittelobergrenze von 1,27 Prozent des Bruttosozialprodukts nicht überschritten wird. Festzuhalten ist jedoch, daß der Haushalt der EU in den letzten Jahren hinter den Ausgabenfonds zurückgeblieben ist, daß, gemessen an den tatsächlichen Zahlungen – 1997 waren es 1,17 Prozent des Bruttosozialproduktes –, die finanzielle Vorschau nur 1,23 Prozent betrug. Demnach bedeutet dies eine beabsichtigte zukünftige Ausschöpfung des Ausgabenplafonds, eigentlich eine reale Beitragserhöhung.

Was dies für Österreich konkret bedeutet, wurde bisher nur spekulativ in den Raum gestellt. Und da möchte ich den sozialdemokratischen Abgeordneten Herbert Bösch zitieren, der meint: Österreich müßte jährlich 8 Milliarden Schilling mehr zahlen.


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