Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 130

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Die Hoffnung Europa ist die Hoffnung, daß dieses Werk des Friedens durch den fortschreitenden Integrationsprozeß diesen Kontinent unumkehrbar und für immer von der Geißel der nationalen Auseinandersetzungen, auch der nationalen Kriege, befreit.

Dieser weitergehende Integrationsprozeß liegt gerade im Hinblick auf unsere geographische Einbettung auch im österreichischen Eigeninteresse, und das bestimmt auch die Position, die wir in dieser Entschließung zur Erweiterung bezogen haben.

Die Kriterien, die dafür gelten, sind seit vier Jahren als Latte gelegt. Zu den politischen Grundlagen zählen die demokratische und die rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschen- und Grundrechte sowie die Achtung und der Schutz von Minderheiten. In wirtschaftlicher Hinsicht müssen wir die beitrittswilligen Staaten über eine funktionierende Marktwirtschaft hin entwickeln, die auch im innergemeinschaftlichen Wettbewerb bestehen kann. Drittens geht es um die Fähigkeit der Länder, alle Verpflichtungen aus dem EU-Vertrag und die darauf basierenden gemeinschaftlichen Vorschriften, also den Acquis Communautaire, nicht nur in nationales Recht umzusetzen, sondern diese auch in der Praxis anzuwenden.

Aus der Sicht der Kommission, meine sehr geehrten Damen und Herren – das ist durchaus eine Einschätzung mit Augenmaß –, erfüllt derzeit noch kein einziges beitrittswilliges Land alle wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft. Den Anforderungen am nächsten kommen – sieht man vom Sonderfall Zypern ab – Ungarn, die Tschechische Republik und Slowenien als drei Nachbarstaaten Österreichs sowie Polen und Estland, mit denen daher auch Beitrittsverhandlungen bei einer Erweiterungsrunde ins Auge gefaßt werden.

Nicht vom wirtschaftlichen Profil her, sondern hinsichtlich der politischen Kriterien hält die Kommission hingegen die Slowakei für noch nicht reif für eine Mitgliedschaft. Es läge aber ebenso im Interesse unseres Nachbarlandes wie im Interesse von gutnachbarschaftlichen Beziehungen, würden die Mängel hinsichtlich der politischen und institutionellen Stabilität behoben und hinsichtlich der Achtung von demokratischen Grundsätzen zweifelsfrei entkräftet, damit der für 1998 von der Kommission angekündigte Bericht zu einer positiven Einschätzung führen kann.

Mir scheint in diesem Zusammenhang ein Wort von Romano Guardini besonders empfehlens- und bedenkenswert, der sagte – ich zitiere –: "Europa ist vor allem eine Gesinnung." – Insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben diese Länder, die Reformstaaten, in einem atemberaubenden Tempo und in einer Zeitspanne von nicht einmal einem Jahrzehnt – auch das soll einmal anerkennend zum Ausdruck gebracht werden – gewaltige Leistungen vollbracht. Man kann sie daher nicht mit Spanien und Portugal, wie es heute gemacht wurde, vergleichen. Daß eine derartige Phase nicht immer evolutionär verläuft, sondern solche Umwälzungen auch von Verwerfungen und Rückschlägen begleitet sind, zeigen auch die Entwicklungen und die Diskussionen dieser Tage in der Tschechischen Republik oder in Polen.

Für die potentiellen Beitrittskandidaten, aber auch für die Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Lettland und Litauen, denen die Tür zur Europäischen Union durch eine Partnerschaft für den Beitritt offen ist, kommt der intensivierten, aber behutsamen Heranführungsstrategie und den finanziellen Hilfen zur Vorbereitung auf einen Beitritt – in der ersten Phase wesentlich vom PHARE-Programm bestimmt und mit rund 300 Milliarden Schilling dotiert – auch eine sehr große Bedeutung zu.

Umgekehrt ist aber ebenso klar: Die von den Beitrittsländern geforderten Anstrengungen müssen hauptsächlich von ihnen selbst getragen werden. Das gilt, Herr Kollege Drochter, auch hinsichtlich der sozialen und der umweltpolitischen Mindeststandards, so wie wir das auch im Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht haben.

So unzweifelhaft sinnvoll und vorteilhaft eine Erweiterung für den Frieden, die Stabilität und die Prosperität in Europa sind, so wenig dürfen die sozialen Probleme, die regionalen Ungleichgewichte, die Herausforderungen für die industrielle und landwirtschaftliche Umstrukturierung, die damit sowohl für die derzeitigen Mitgliedstaaten wie auch für die Beitrittskandidaten verbunden sind, außer acht gelassen werden. Und elementar geht es auch um die sogenannten Erweiterungskosten.


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