Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 132

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Im ersten Halbjahr 1998 müssen die diesbezüglichen Pläne der Mitgliedsländer vorliegen, und unter österreichischem Vorsitz – das stellt durchaus auch eine große Herausforderung für die eigenen Anstrengungen dar, auf die im Entschließungsantrag auch Bezug genommen wird – steht in einem Jahr die erste Überprüfung an.

Zur österreichischen Beschäftigungssituation möchte ich an dieser Stelle auch auf einen wesentlichen Beitrag verweisen, den die österreichische Land- und Forstwirtschaft dazu leistet. Diesbezüglich bin ich mit Kollegen Drochter einer Meinung, denn die knapp 300 000 Arbeitskräfte in der heimischen Land- und Forstwirtschaft sichern – so das Ergebnis einer statistischen Untersuchung der Oberösterreichischen Landesregierung – insgesamt ebenso viele Jobs in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Das heißt mit anderen Worten: Insgesamt sind es fast 600 000 Arbeitsplätze, die mit dem Agrarbereich und seiner Entwicklung in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.

Daher sitzen wir in einem gemeinsamen Boot. Jeder Arbeitsplatz, der im unselbständig erwerbstätigen Bereich verlorengeht, bedeutet auch eine Gefährdung des Arbeitsplatzes auf dem Bauernhof, denn rund 250 000 Beschäftigte stehen in direktem Zusammenhang mit der Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Produkte, voran in der Fleisch- und Milchverwertung, wesentlich aber auch im Holzverarbeitungs- und im Beherbergungsbereich. Weitere 24 000 Arbeitsplätze werden durch die jährlichen Investitionen auf dem Bauernhof ausgelöst, von denen das Gros auf Erzeugung von landwirtschaftlichen Maschinen sowie auf den Hoch- und Tiefbau entfällt. In den vorgelagerten Bereichen rechnet man mit weiteren 36 000 Jobs, die von der Landwirtschaft abhängen; massiv etwa in den Sektoren Futtermittelproduktion und Veterinärwesen. Kurzum: Mit jedem Arbeitsplatz Bauernhof ist unmittelbar ein nichtlandwirtschaftlicher Job verknüpft und – ich darf es noch einmal wiederholen – auch umgekehrt.

Der agrarische Beitrag zur Sicherung der außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätze im Lande ist beachtlich. 1995 haben die österreichischen Bauern um 41,7 Milliarden Schilling bei Industrie und Gewerbe Futtermittel, Düngemittel, Brenn- und Treibstoffe, Maschinen- und Gebäudeinvestitionen eingekauft. Gerade in Zeiten angespannter Arbeitsmärkte sichern intakte ländliche Räume mit einer wirtschaftlichen und gesunden Land- und Forstwirtschaft als Basis Existenzen und Einkommen für Tausende Familien.

Daher ist auch die Sicherung der Arbeitsplätze auf dem Bauernhof, die Zukunft der Landwirtschaft und die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik von zentraler Bedeutung. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ist aber ein ganz wesentlicher Teil der "Agenda 2000" – auch deshalb, weil im Zusammenhang mit den Finanzierungserfordernissen und unter Hinweis darauf, daß 50 Prozent des EU-Budgets für die Landwirtschaft aufgewendet werden, oft begehrliche Blicke auf den Agraranteil im EU-Budget geworfen werden.

Wahr ist aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Landwirtschaft den einzig vergemeinschafteten Bereich in der Europäischen Union darstellt. Wahr ist zudem auch, daß der Anteil der Landwirtschaft insgesamt im Bereich der Europäischen Union und hinsichtlich der Budgetposition in den Mitgliedstaaten EU-weit betrachtet nur 1,99 Prozent beträgt, also nicht einmal 2 Prozent. Hält man sich diese Tatsachen vor Augen, ist die in der Entschließung geforderte Absicherung der gegenwärtigen Finanzierungsregeln der Gemeinsamen Agrarpolitik und die Absicherung der agrarischen Strukturförderung mehr als legitim.

Es geht bei der Bewertung der "Agenda 2000" aus bäuerlicher Sicht um eine klare Richtungsentscheidung von nicht nur bäuerlicher, sondern von gesamtgesellschaftlicher Dimension. Es geht nämlich um die Fragen: Wie wollen wir die Pflege des Landes haben? Wie sollen Qualität und Sicherheit bei Nahrungsmitteln erreicht werden, wenn es nicht mehr die Bauern machen?

Welchen Preis hat dann die Qualität und die Sicherheit der Nahrungsmittelproduktion? Soll die Entwicklung der Agrarpolitik nur mehr durch den Preis, durch den Markt gesteuert werden, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, oder sollen die bewährten Instrumente der Agrarpolitik weitergeführt werden?


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