Bundesrat Stenographisches Protokoll 633. Sitzung / Seite 15

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Das fällt deshalb ins Gewicht, weil es sich häufig nicht um unverändert gebliebene und schon längere Zeit bekannte Regierungsvorlagen handelt, sondern um Gesetzesbeschlüsse, die ohne Begutachtungsverfahren aufgrund von Initiativanträgen oder von Abänderungsanträgen im Nationalratsausschuß zustande kamen. Bei der Änderung von Regierungsvorlagen muß zudem oft ein mühseliger Textvergleich angestellt werden, um den Umfang der vorgenommenen Änderungen beurteilen zu können – dem Ausschußbericht kann nämlich häufig nur das Ergebnis, nicht aber der Inhalt von Änderungen entnommen werden.

Im konkreten Fall kann man nun einwenden, daß ohnedies keine Länderzuständigkeiten berührt seien. Das ist auf den ersten Blick formell im wesentlichen richtig, allerdings haben wir festgestellt, daß im Stellenbesetzungsgesetz doch eine Verfassungsbestimmung enthalten ist, die zustimmungspflichtig ist, bei einem anderen Gesetz wurde eine solche zustimmungspflichtige Regelung in der zweiten Lesung des Nationalrates wieder herausgenommen – wovon wir erst gestern Kenntnis erlangt haben. Es gibt allerdings eine Zahl von Gesetzesbeschlüssen, bei denen Länderinteressen im allgemeinen betroffen sind – ich verweise nur auf die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren zum Zivildienstgesetz.

Zudem läßt eine solche Betrachtungsweise außer acht, daß unsere Aufgabe über die Vertretung von Länderinteressen in der Bundesgesetzgebung hinausgeht. Jedes Zweikammersystem ist zunächst Ausdruck einer Gewaltenteilung in der Gesetzgebung selbst, in weiterer Folge verkörpert es auch eine Art "Vier-Augen-Prinzip" im Sinne einer Qualitätskontrolle. Es liegt auf der Hand und ist immer wieder Gegenstand berechtigter Kritik in der Rechtswissenschaft durch den Verfassungsgerichtshof, die Rechtsanwender sowie die Rechtsunterworfenen – die Bürgerinnen und Bürger –, daß die überdrehte Gesetzgebungsmaschinerie des Nationalrates keineswegs so fehlerfrei arbeitet, daß man ihr blind vertrauen könne.

Mit einem nicht zum erstenmal geschaffenen Fait accompli und der faktischen Nötigung zu ungeschauter Zustimmung zwingt uns der Nationalrat auf einen Weg, dessen Ende – nämlich die Frage nach dem Stellenwert des Bundesrates als Organ der Bundesgesetzgebung – weder unser und schon gar nicht der Länder Ziel sein kann.

Wenn wir trotzdem – und ich bekenne mich dazu – unseren Beitrag dazu leisten, um in der Sache selbst das zeitgerechte Inkrafttreten notwendiger Regelungen nicht in Frage zu stellen, sollte das zumindest nicht – und darum habe ich mich zu Wort gemeldet – unter dem Motto "Schwamm drüber, und das nächste Mal werden wir schon ...!" geschehen. Ich denke, daß wir uns zu guter Zeit für die nächste derartige Situation gegenüber dem Nationalrat deutlich und mit nachhaltiger Wirkung artikulieren sollten. Von anderen – vor allem von den Ländern – als Interessenvertretung ernst genommen zu werden – ich nenne nur das Stichwort Konsultationsmechanismus – können wir nur in dem Maß erwarten, in dem wir uns selbst durchsetzen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

9.35

Präsident Dr. Günther Hummer: Wünscht noch jemand das Wort? – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Kone#ny. Ich erteile es ihm.

9.35

Bundesrat Albrecht Kone#ny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wenn man im finsteren, kalten Wald pfeift, dann macht man sich vielleicht selbst Mut – verändern wird man damit mit Sicherheit nichts. Wenn einem ein Gesetz nicht gefällt, Kollege Tremmel – und Sie haben sich dann hart eingebremst vor der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einigen heute hier vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates –, dann entdeckt man, daß man zuwenig Zeit gehabt hat.

Meine Damen und Herren! Die hohen Worte über Fristen und Verfassungsbestimmungen sind zweifellos eindrucksvoll, wir wollen aber doch daran erinnern, daß es dabei um einen konkreten politischen Prozeß geht. Sie, Kollege Tremmel, haben gemeint, wir – und ich weiß nicht, wen Sie da einbegriffen haben; mich sicher nicht – wollten keine Befehlsempfänger sein. Nein, um Befehlsempfang geht es nicht, es geht um eine lebendige, fruchtbare Partnerschaft, einerseits natürlich mit den Ländern, aber andererseits auch mit einer Bundesregierung, zu der wir


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