Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 46

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Errungenschaft, daß man zwischen gesetzlich anerkannten und den übrigen Religionsgemeinschaften unterschied, denen eine freie Religionsausübung zwar nicht öffentlich, aber im privaten Bereich zugesichert wurde. Das war damals eine große Errungenschaft.

Die Zeit ist weitergegangen, unsere Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920 verhieß Neutralität und übernahm weitgehend in den Bereichen der Grundrechte den Stand, wie er in der Monarchie insbesondere im Grundgesetz über die allgemeinen Grundrechte der Staatsbürger vom 21. Dezember 1867 und flankierenden Gesetzen festgelegt worden war.

Es sind Wertungen, die dazu führen, daß sozusagen eine exakte Beantwortung dessen, was sich der Politiker fragt – oft nämlich eine sachlich richtige Antwort –, nicht gegeben werden kann. Eines steht aber fest: Daß die großen Bekenntnisse, die großen Kirchen in unserem Land in dem, was sie für unsere Bürger tun und leisten, in dem Grundethos, das sie zu vermitteln suchen, den Staatsbürger in hohem Maße mitbilden und auch das Bekenntnis zu unserer demokratischen Republik mittragen. Es ist bei kleinen, neuen Religionsgesellschaften vielfach gar nicht möglich, dies zu beurteilen.

Man muß ihnen größte Sachlichkeit entgegenbringen, aber der Mißbrauch, etwa für finanzielle Zwecke, wie er sich bei neueren Religionsgemeinschaften erkennen ließ, das Abhängig-Machen von Menschen in solchen Religionsgesellschaften, wie es da und dort gang und gäbe sein soll und auch von Fachleuten geortet wurde – wenn ich insbesondere an die entsprechenden Studien über Sekten des Bundesministeriums für Unterricht erinnern darf –, lassen eine gewisse Vorsicht, die die Freiheit der Religionsausübung nicht antastet, durchaus geboten erscheinen. Das Recht des Staates, seinen Bestand und die Freiheit seiner Bürger auch im geistigen Bereich zu sichern, ist wohl eines der Grundrechte, die sich aus der Souveränität des Staates und seiner Unabhängigkeit auch im Bereich gegenüber seinen Bürgern ergeben.

Daß sich bei dem vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates der Gesetzgeber ungeheuer schwergetan hat, geht etwa aus der Bestimmung des § 5 hervor, wonach der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten den Erwerb der Rechtspersönlichkeit dann versagen kann, wenn Interessen der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit und – siehe da! – der Moral beeinträchtigt sein könnten.

Den Begriff der Moral in einer pluralistischen Gesellschaft außer Zweifel zu stellen, ist wohl unmöglich. Ich darf scherzhaft anmerken, daß mir in solchen Fällen immer die Frage einfällt, die sich der Jurist stellt: Was mag sich wohl der Gesetzgeber dabei gedacht haben? – Dazu muß ich sagen, das wird wohl nie zu ergründen sein, sondern er hat es den jeweiligen Vorstellungen, die eine Mehrheit der Gesellschaft von Moral hat, der Fortbildung der Gesellschaft überlassen, weil eine Definition in diesem Bereich natürlich unmöglich ist.

So kann man die allgemeine Unzufriedenheit sicherlich ansatzweise teilen, nur dort, wo eine sichere Antwort nicht möglich ist, muß man sich mit einer Antwort begnügen, die niemanden glücklich sein läßt, die aber auch – das muß schon herausgestellt werden – niemandem Unrecht tut. So wird den Religionsgesellschaften, die eine bestimmte Mindestzahl an Mitgliedern aufweisen, die sich zu den Grundwerten der Freiheit, der Persönlichkeit, zu den Grundwerten unseres Staates bekennen, wenigstens Rechtspersönlichkeit gegeben, und sie müssen nicht beim Status eines Vereines oder einer sonstigen für Religionen nicht geschaffenen Rechtsform Unterschlupf finden.

Mit dieser Maßgabe können wir wohl dem hier vorliegenden Beschluß des Nationalrates unsere Zustimmung erteilen und werden keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

11.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Hager. – Bitte.

11.45

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von reli


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