Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 47

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giösen Bekenntnisgemeinschaften wird allgemein auch als "Sektengesetz" bezeichnet. Meinen Ausführungen vorausschicken möchte ich, daß ich keiner religiösen Gemeinschaft angehöre, weder einer staatlich anerkannten noch einer der zahlreichen abstrusen Verbindungen, die um eine staatliche Anerkennung kämpfen.

Das Angebot an religiösen und vor allem pseudoreligiösen Verbindungen ist so groß wie noch nie. Eine gewisse Orientierungslosigkeit der Menschen bietet selbsternannten Gurus einen hervorragenden Nährboden für ihre oft abenteuerlichen Ideologien.

Dieses Gesetz ist, wie es von Kritikern schon bezeichnet worden ist, in einem gewissen Sinne ein "Verhinderungsgesetz", aber ich halte das nicht für schlecht. So wie der Gesetzgeber Betrug oder Körperverletzung unter Strafe stellt, so ist er auch dazu aufgerufen, die Bürger – es sind meistens die schwächsten Mitglieder dieser Gesellschaft, oft psychisch labile Menschen, die davon betroffen sind – vor vermeintlichen Heilslehren zu schützen. Dazu dient meiner Ansicht nach dieses Gesetz sehr wohl.

Die freie Ausübung einer Religion ist ein Menschenrecht, und sie berührt auch sicher einen sehr privaten Teil des menschlichen Daseins. Dieses Recht wird durch das vorliegende Gesetz in keiner Weise berührt oder eingeschränkt, dieses Gesetz diskriminiert niemanden. Jeder Österreicher kann seinem Glauben anhängen, sei er nun Katholik, oder glaubt er an irgendwelche mythischen Naturerscheinungen – der Staat hat kein Recht, ihn daran zu hindern.

Wir wollen auch mit Sicherheit keinen legistisch geregelten Gottesstaat haben oder Zustände wie im Mittelalter, als Menschen für ihr Bekenntnis sterben mußten, das Gesetz greift aber dort ein – so sehe ich das –, wo der private Bereich verlassen wird und die Rechte und Freiheiten anderer Menschen berührt werden. Ich persönlich verbitte mir, von Sektierern belästigt zu werden, die oft mit enormer Penetranz ihre sonderbaren Geschichten weiterverbreiten wollen.

Vor allem bin ich aber – das sage ich ganz persönlich – in Sorge um meine beiden heranwachsenden Söhne. Ich will nicht, daß sie in die Fänge von Sekten geraten, die von Subjekten angeführt werden, die schlichtweg als Verbrecher zu bezeichnen sind. Verschiedene Psychosekten sind zwar wahrscheinlich in ihrem Vorgehen zu raffiniert, als daß sie mit diesem Gesetz wirkungsvoll in die Schranken gewiesen werden könnten, aber dennoch halte ich das Gesetz für sehr begrüßenswert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rauchenberger. – Bitte.

11.48

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Aufgrund meiner Vorredner kann ich mich in meinem Beitrag sehr kurz halten.

Die bisherigen Ausführungen der Vorredner habe ich mit großem Interesse verfolgt, und ich habe mich auch im Vorfeld dieser Debatte sehr eingehend mit dem Gesetzentwurf und mit verschiedenen Artikeln beschäftigt. Ich bin zur Schlußfolgerung gekommen, daß dieses Gesetz ein typisches Verhinderungsgesetz, wie es auch der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon gegenüber dem "Neuen Volksblatt" feststellte, sein soll.

Es mag sein, daß man glaubt, gegen die eine oder andere Glaubensgemeinschaft oder gegen Sekten in Zugzwang zu sein. Rechtsstaatliche Grundsätze deshalb über Bord zu werfen und eine nicht ausreichend verhandelte und nur dem Ehrgeiz des ÖVP-Klubobmannes dienende Radikallösung zu akzeptieren, widerstrebt allerdings zutiefst meiner Gesinnung, meiner Toleranz und Rechtsauffassung. Es ist mir deshalb ein persönliches Bedürfnis festzustellen, daß ich, insbesondere auch unter Anhörung der Beiträge hier in dieser Debatte, dem Antrag des Berichterstatters, gegen das vorliegende Gesetz keinen Einspruch zu erheben, nicht zustimmen werde. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.50


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