Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 50

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Was heißt Bildung? Was soll sie bewirken? – Bildung heißt Vermittlung von Wissen und – wie der Name schon sagt – Vermittlung von Bildung. Da liegt es aber leider bei uns in Österreich sehr im argen. Und das sage nicht nur ich. Es gibt genügend Statistiken, es gibt genügend Vertreter anderer Parteien, die immer wieder darauf hinweisen, daß es um die sogenannten Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben – auch das Rechnen zählt dazu – ziemlich arg bestellt ist. Da nützt es auch nichts, wenn wir dann immer wieder darauf hinweisen können, daß wir in den naturwissenschaftlichen Zweigen im europäischen Durchschnitt recht gut abschneiden. Das alleine macht es nicht aus. Auch da werden immer nur Segmente herausgegriffen und dann der Erfolg groß gefeiert, aber das Gesamte wird dabei nicht beachtet, und es wird auch nicht darauf hingewiesen und schon gar nicht daran gearbeitet, daß es eben nicht so gut ist, wie es vielleicht den Eindruck erwecken mag.

Jetzt haben wir in diesem Schulorganisationsgesetz die Berufsorientierung verankert. Im Grunde spricht natürlich nichts dagegen, daß die Schüler im Hinblick darauf eine gewisse Orientierung bekommen, was sie weiter tun werden. Wir wissen alle aus der Praxis, wenn man einen Schüler heute fragt, was er denn werden möchte, dann sagt er: Keine Ahnung!, egal, ob er 14 ist oder auch kurz vor der Matura steht.

Es wird dann auch eine gewisse versteckte Arbeitslosigkeit produziert, weil sehr viele an die Uni gehen und dort vielleicht Begabteren und Willigeren den Platz versitzen. Dort sind sie dann einmal aufgehoben, bis sie ihr Studium abbrechen. Man weiß mittlerweile, daß die Zahl der Studienabbrecher sehr groß ist.

Dann lese ich immer in diesen Regierungsvorlagen, das sei alles kostenneutral. Auch die Berufsorientierung wird unter dem Titel Kostenneutralität abgehandelt. Was heißt das? – Wenn ich sage, es ist kostenneutral, dann kann ich es wohl nur von irgendwo anders abzwacken, wenn ich nicht etwas Zusätzliches machen will. Es steht auch in der Regierungsvorlage, daß die Berufsorientierung in den Einheiten im Rahmen des Unterrichtes vermittelt wird.

Bei der Hauptschule wäre das ohnehin im Lehrplan vorgesehen, denn die Hauptschule ist im wesentlichen eine Schule, die zum Beruf führt, im Unterschied zur AHS, deren Ziel in erster Linie die Allgemeinbildung ist. (Bundesrat Meier: Beides!) Aber bei der Hauptschule ist das Element hin zur Berufsorientierung wesentlich größer als bei der AHS.

Jetzt frage ich mich schon, und das frage ich Sie auch: Was soll die Schule eigentlich noch alles machen? – Die Schule übernimmt seit Jahren im wesentlichen die Aufgaben der Gesellschaft. Immer mehr Erziehungsaufgaben, die eigentlich die Eltern wahrnehmen sollten, werden an die Schule delegiert. Da hat Kollegin Pühringer gestern nicht ganz unrichtig gesagt, diese Pauschalverunglimpfung der Lehrer sollte man vielleicht doch sein lassen. Ich weiß schon, daß es im Schulbereich mit den Lehren viele Probleme gibt, und es gibt eine – ich will nicht Mehrheit sagen – Zahl von Lehrern, bei denen man sich denkt, es wäre vielleicht besser gewesen, sie wären keine Lehrer geworden. Aber trotzdem glaube ich, daß es gefährlich ist, wenn man dann immer mit einem Kamm drüberschert und die Lehrer zu den Buhmännern der Nation macht, weil wir nicht vergessen dürfen, daß sie eben viel zu viele Erziehungsaufgaben wahrnehmen müssen.

Die Wissensvermittlung und die Bildung, die sie eigentlich den Schülern zukommen lassen sollten, bleiben damit auf der Strecke, und das betrifft auch dieses Schulorganisationsgesetz. Auch wenn man der Berufsorientierung im Grunde genommen positiv gegenübersteht, muß man schon sagen, auch hier wird natürlich vom Unterricht wieder etwas abgezwackt werden.

Das heißt, wir gehen in Richtung Reduktion der Wissensvermittlung. Ich glaube, daß das schlecht ist. In dem immer härter werdenden Wettbewerb werden wir es noch bitter beklagen, wenn unsere Kinder ein Bildungsdefizit aufweisen. Sie werden dann nicht bestehen können. Wir laufen Gefahr, daß unsere Kinder das Schlußlicht im europäischen Raum sein werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

An die Kollegen von der Sozialdemokratie muß ich schon folgendes sagen: Sie sind bei Ihrer Gründung zu Recht mit dem Ziel angetreten: Gleiche Bildung für alle, jeder soll Zugang zur


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