Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 66

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Zudem verweise ich auf die damit einhergehende Aushöhlung der im Artikel 90 Abs. 1 B-VG verankerten Mündlichkeit des Verfahrens. Zugleich schreitet der von mir bereits mehrfach kritisierte schleichende Wandel zur Parteienmaxime voran. Der rechtlichen Möglichkeit des Parteienvertreters – die ich nicht bestreite –, auf der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zu beharren, steht verfahrenspsychologisch der gegenläufige Erwartungsdruck überlasteter Richter gegenüber.

Mir ist schon klar, daß die Forderung zur Ausweitung des genannten § 281a ZPO aus dem Sachbereich der leidigen Prozesse über die Haftpflicht aus Verkehrsunfällen erwachsen ist. Die Richter wollen eben in Parallelverfahren nicht stets dieselben Beweise aufnehmen müssen. Das ist ein Beispiel mehr dafür, wie der Wildwuchs des Verkehrsprozesses den Richter frustriert und demotiviert. Ich kann hier nur an den Herrn Bundesminister für Justiz appellieren – wie schon von ihm selbst vor Jahren gefordert wurde –, den sogenannten Blechschadensfall endlich an alternative Schlichtungsorgane auszulagern, bevor er den regulären Zivilprozeß zu ersticken droht und stets neue sachwidrige Forderungen und ihnen entsprechende Änderungen nach sich zieht.

Unglücklich bin ich auch über die partielle Beseitigung der außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof. Schon bisher war es zwar so, daß das Berufungsgericht auszusprechen hatte, ob die ordentliche Revision zulässig ist; ließe es sie nicht zu, konnte sich die anfechtungswillige Partei mit außerordentlicher Revision an den Obersten Gerichtshof wenden. Sah auch er die Zulässigkeitsvoraussetzung, insbesondere das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, nicht als gegeben an, konnte er die Annahme der Revision ohne Angabe von Gründen verweigern. Dieses Zulassungssystem, das auf der Zivilverfahrens-Novelle 1983 und der Wertgrenzen-Novelle 1989 beruhte, hatten renommierte Mitglieder des Obersten Gerichtshofes selbst initiiert. Es war gleichsam ein Rezept zur Abhilfe gegen die eigene Überlastung. Weshalb dann der Oberste Gerichtshof damit nicht entsprechend umzugehen lernte, bleibt freilich unerfindlich. Hier liegen zweifellos hausgemachte Belastungen vor. Man wende nicht ein, es spreche doch für die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes, wenn sie ein ihnen vorgelegtes Rechtsmittel nicht kurzerhand abtun. Aber ist es denn besser, wenn sich der OGH dann lieber erst gar nicht mit der Zulässigkeit eines an ihn gerichteten Rechtsmittels befassen will; dies nach der Devise: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß?!

Vom rechtsstaatlichen Prinzip her sieht es jedenfalls nicht gut aus, daß abschließend eben dieselbe Instanz über die Zulässigkeit des Rechtsmittels befindet, das sich gegen ihre eigene Entscheidung richtet; wird doch das Rechtsmittelgericht insoweit zum Richter in eigener Sache. Zwar ist jetzt ein Antrag auf Abänderung dieses negativen Ausspruchs vorgesehen; wird aber ernsthaft erwartet, daß das Berufungsgericht seinen eigenen Ausspruch, daß die Revision unzulässig ist, ohne weiteres wieder abändern wird, oder geht es weniger um die rechtsschutzsuchende Partei als darum, die Amtshaftung infolge eigener Verfahrens- oder/und solche Entscheidungsfehler zu vermeiden? Denn bekanntlich sind zwar höchstgerichtliche, nicht aber zweitinstanzliche Entscheidungen der Amtshaftung entrückt. Sachlich oder rechtlich unvertretbare Meinungen, was ja die Amtshaftungsrechtsprechung verlangt, sollten indes einem Rechtsmittelgericht wohl nicht mehr unterlaufen.

Unökonomisch, ja gegenüber der ihrem Anwalt jedenfalls honorierungspflichtigen Partei sogar unsozial, ist meines Erachtens die Anforderung, mit dem Abänderungsantrag sogleich die beabsichtigte Revision inhaltlich auszuführen. Offenbar sollen die meritorischen Revisionsausführungen allein dazu dienen, daß das Berufungsgericht die Haltbarkeit seiner eigenen Entscheidung nochmals überprüfen kann. Zudem würde dabei die Erheblichkeit der Rechtsfrage als vorgelagerte Zulässigkeitsvoraussetzung – die prozessuale Logik auf den Kopf stellend – de facto an der nachgelagerten Überzeugungskraft der ausgeführten Revisionsgründe als Erfolgsvoraussetzung gemessen.

Das dargestellte Zulassungssystem soll freilich nur für den Streitwertbereich zwischen 52 000 S und 260 000 S gelten. Darüber hinaus verbleibt es bei der Möglichkeit, außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu erheben, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision nicht für zulässig erklärt. Was rechtfertigt aber diese Differenzierung abseits statistischer


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