Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 68

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ihm ja eigen ist. Ich möchte nun nicht dem Fehler verfallen – als jemand, der eher der Außerstreitregelung dient –, das zu kritisieren, was Sie doch als subjektive Meinung (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Expertenmeinung!)  – das darf ich Ihnen in aller Kollegialität unterstellen – an Gegensätzen vorgetragen haben. Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, daß mein Sitznachbar gemeint und mir sozusagen als Empfehlung mitgegeben hat, ich möge in meiner Wortmeldung ein bißchen praxisbezogener sein. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das war sehr praxisbezogen, was Sie gesagt haben!) Aber das liegt in der Natur der Sache, da Sie eben ein Wissenschaftler sind. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das war sehr praxisbezogen! Sehr praxisbezogen! Oder Sie haben es nicht verstanden!) Na ja, wir wollen die Debatte nun nicht auf das Publikumssprichwort reduzieren: drei Juristen, vier Meinungen.

Wenden wir uns also dem Gesetzesbeschluß zu. Es geht um – Kollege Böhm hat das ausreichend ausgeführt – eine Anpassung unter Bedachtnahme der geldwert- und einkommenswirtschaftlichen Veränderungen der Wertgrenzen in unserer zivilrechtlichen Rechtsordnung. Ich meine, in diesem Punkt sind wir uns durchwegs einig. Sie haben lediglich die Anwaltspflicht kritisiert, daß sich die Interessenvertretung der Anwälte hier durchgesetzt hätte. Ich erlaube mir dagegenzuhalten, daß ich auch darin, nämlich im Instrumentarium der Anwaltspflicht, einen Rechtsschutz für den sogenannten "kleinen Mann" sehe. Dieser sollte schon ausgewogen sein. (Bundesrat Dr. Böhm: Nicht bei der Eigenzuständigkeit!) Ich denke, in der gegebenen Höhe, die entsprechend angepaßt wird, ist er durchaus adäquat und angebracht.

Nicht unerwartet kommt Ihre Kritik am sogenannten Zulassungsrevisionsmodell, das wir seit dem Jahre 1989 kennen. Es ist ein Faktum, daß die ordentlichen Rechtsmittel der zweiten Instanz beziehungsweise des Obersten Gerichtshofes durchwegs – fast zu 100 Prozent – angenommen werden. Genau umgekehrt ist die Lage beim sogenannten außerordentlichen Rechtsmittel: Hier werden etwa 80 Prozent zurückgewiesen. Da wollte man eben nach einem längeren Begutachtungsverfahren, in dem auch die Richter des Obersten Gerichtshofes und die Interessenvertreter, aber auch das Ministerium einschreiten, eine Entlastung des Obersten Gerichtshofes herbeiführen.

Es mag sein, Kollege Böhm, daß Sie recht haben, aber ich vertraue hiebei der Regierungsvorlage, dem vorliegenden Gesetzesbeschluß. Ich meine, wir haben guten Grund zu diesem Vertrauen: Wir haben die Frage, ob das der richtige Weg sei, vielfach diskutiert. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Novellen beim Strafrecht, bei dem wir immer der Meinung waren: Gut, lassen wir es darauf ankommen, sehen wir es uns in zwei, drei Jahren an. Ich erinnere auch an den außergerichtlichen Tatausgleich: In den letzten Jahren – ich darf hier durchaus feststellen, in der Amtszeit des Ministers Michalek – haben alle Reformen das gehalten, was sie versprochen haben. Ich bin auch guten Mutes und optimistisch, daß sich die Regelung bezüglich der Entlastung des Obersten Gerichtshofes, die, wie gesagt, auf einem breiten (Bundesrat Dr. Böhm: Die dritte seit 1963!) Konsens aufbaut – in zwei Jahren werden wir dies wieder diskutieren (Bundesrat Dr. Böhm: Und die nächste!)  –, durchaus positiv auswirken wird.

Bezüglich des Abänderungsantrages haben Sie gemeint, es sollte nicht so sein, daß die Instanz, die entschieden hat, meritorisch noch einmal über den Abänderungsantrag mitentscheidet. In diesem Punkt bin ich ein wenig überfragt: Zugegeben, es könnte durchaus so sein, daß sich ein anderer Senat mit diesem Abänderungsantrag beschäftigt. Wie diese Frage gerichtsintern zu lösen ist, da könnte ich Ihrem Vorschlag durchaus folgen, daß es einem Senat nicht zumutbar ist, zu sagen, eine erhebliche Rechtsfrage sei sehr wohl gegeben, der Abänderungsantrag sei begründet, und es möge dieses Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof vorgelegt werden.

Ich begrüße andererseits – als soziale Klausel – durchaus die Herabsetzung des Streitgegenstandes bei Unterhaltsansprüchen. Ich bin der Meinung, daß wir dem "kleinen Mann", dem "kleinen Publikum", zu Hilfe kommen müssen. Ich würde auch meinen, daß wir in Zukunft die sogenannten festen Gerichtsgebühren, die tatsächlich belasten – unisono –, eher einfrieren und progressiv Steigerungen bei den sogenannten Prozentualgebühren beschließen, wenn dies notwendig ist.


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