Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 13

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Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Warum können Sie auf den SPÖ-Vorschlag nicht eingehen, nämlich für jene Familien mit mehr Kindern einen Härteausgleich zu schaffen, der diesen auch zusteht, aber nicht die Reichen reicher zu machen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich meine, daß eine Mehrkinderstaffel, die für das zweite Kind einen um 175 S pro Monat höheren Kinderabsetzbetrag als für das erste vorsieht und für das dritte Kind und für alle weiteren Kinder einen um 350 S pro Monat höheren Absetzbetrag, nicht in den Geruch kommen kann – auch nicht in Extremfällen –, irgend jemanden reicher zu machen.

Ich möchte aber die von Ihnen geäußerte Zahl schon relativieren, nämlich insofern, als von den etwas über 50 Prozent der Kinder, die in Einkindfamilien leben, ein gut Teil später Geschwister dazubekommt, sodaß von insgesamt rund 1,1 Millionen Kinder rund 300 000 Kinder permanent in Einkindfamilien aufwachsen. Die weitaus überwiegende Zahl der Familien, nämlich 800 000, sind letztlich Mehrkinderfamilien.

Ich möchte aber auch sagen, daß es aus familienpolitischer und auch sozialpolitischer Sicht nicht darum gehen kann, wo sich 90 Prozent der Familien befinden, sondern wo Bedürftigkeit und familienpolitische Notwendigkeiten gegeben sind. Das ist für mich das Wesentliche. Dabei geht es darum, anzuerkennen, daß mehr Kinder zu haben in diesem Land leider Gottes zunehmend zu einem Armutsrisiko geworden ist. Eindeutige Zahlen sagen uns, daß beispielsweise auf Basis einer Alleinverdienerfamilie das Armutsrisiko mit zwei Kindern bereits bei etwas über einem Viertel liegt – 28 Prozent dieser Familien liegen an oder unter der Armutsgrenze –, wenn eine Alleinverdienerfamilie dann drei Kinder hat, liegt das Risiko schon fast bei der Hälfte, nämlich bei rund 46 Prozent.

Daher ist es, so glaube ich, notwendig, weiterhin etwas für Mehrkinderfamilien zu tun, und ich darf daran erinnern, daß es die Koalitionspartner gemeinsam waren, die 1992/93 diese Mehrkinderstaffel aus gutem Grund eingeführt haben. Ich meine, man sollte sie jetzt nicht abschaffen, um dann wiederum etwa dieselbe Summe Geldes einem Teil der Familien zurückzugeben. Das hielte ich für den falschen Weg.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Spielt in Ihrer Überlegung die Variante des Familiensplittings auch eine Rolle? Würden Sie diese Lösung, in der sich die Steuerleistung unabhängig von der Höhe des Familieneinkommens im wesentlichen an der Anzahl der Familienmitglieder ausrichtet, für verfassungskonform halten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Diese von Ihrer Fraktion immer wieder in Diskussion gebrachte Variante spielt bei unseren Verhandlungen keine Rolle, und zwar deswegen, weil wir uns – das betrifft sowohl die sozialdemokratische als auch meine christdemokratische Fraktion – frühzeitig auf eine Beibehaltung der Individualbesteuerung und auf einen Ausbau der zur Verfügung stehenden Instrumente – Absetzbeträge und ähnliches mehr – festgelegt haben.

Ich sage aber, daß das von Ihnen diskutierte Modell durchaus eine Denkvariante ist, die ich nicht als absolut unsinnig abtun will. Bloß ist es in der politischen Meinungsbildung zweckmäßig, sich auf Punkte zu einigen und letztlich auch von dem Ist-Zustand auszugehen. Der Ist-Zustand der Individualbesteuerung, den Österreich seit jetzt fast drei Jahrzehnten kennt, wird von einer breiten Mehrheit als positiv erachtet, sodaß ich unter dem Strich keine Notwendigkeit sehe, davon abzugehen.


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