Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 129

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Eine oberflächliche Betrachtung des Berichtes könnte aber zu dem Schluß verleiten, daß die Statistik eine Tourismuskrise signalisiert. Ich sehe es daher als meine Aufgabe, darüber einige Worte zu verlieren, damit wir nicht Dinge schlechtmachen, die es in Wahrheit nicht sind, oder in Jammern und Wehklagen verfallen. Es hilft, wenn es um den Tourismus geht, weder ein Krankjammern noch ein Gesundbeten, denn es sind all jene, die damit mittelbar oder unmittelbar zu tun haben, gefordert.

Bei jeder Statistik und bei jedem Bericht ist aber auch ein längerer Zeitraum zu betrachten. Da ich die Berichte der letzten Jahre vorliegen habe, ist mir die Situation Mitte der achtziger Jahre eingefallen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Italien-Fan noch daran, was damals passierte. Es war in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, als durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren wie der Algenplage in der oberen Adria, der Überbewertung der italienischen Lira, der Ostöffnung sowie der EU- und der deutschen Wiedervereinigungseuphorie dort eine Krise begonnen hat, die zum Glück für Österreich einen steilen Aufschwung im Tourismus brachte, der bis 1991 anhielt. 1992 war der Höhepunkt mit einem Umsatz von 190,5 Milliarden Schilling erreicht, und im Anschluß hat eine Abwärtsentwicklung begonnen. Wir hoffen, daß diese 1995 den theoretischen Tiefpunkt erreicht hat, denn 1996 war, wie dem Bericht zu entnehmen ist, wieder ein leichter Anstieg feststellbar.

Diese Fakten signalisieren meiner Meinung nach aber viel eher einen erhöhten Anpassungsbedarf auf hohem Niveau als eine Krise. Die rasche Veränderung der internationalen Wettbewerbsbedingungen hat Strukturschwächen freigelegt, die möglichst rasch entschärft werden müssen.

Die wichtigste Strukturschwäche ist die relative Verteuerung der touristischen Dienstleistungen im Wachstumsprozeß. Das österreichische Tourismusangebot ist leider auch relativ langsam gewachsen und nach den schulferienabhängigen Urlaubs- und Erholungsreisen ausgerichtet. Das gilt insbesondere, wie wir wissen, für unseren Nachbarstaat Deutschland, von dem eine hohe Abhängigkeit besteht. Im Gegensatz zu der starken Abhängigkeit von deutschen Touristen, die im Vergleich mit anderen Zielländern pro Nacht relativ wenig in Österreich ausgeben, ist der Anteil der Übernachtungen von ausgabefreudigen Gästen aus den rasch wachsenden Märkten in Übersee noch sehr gering.

Aber auch Geschmacksveränderungen oder Modeströmungen – südliches Ambiente ist gefragt, Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, Klimafaktoren, Sehnsucht nach Sonne und Sand, Abenteuer- und Entdeckungslust und so weiter – bewirkten eine deutliche Veränderung im Reiseverhalten. Dies gilt insbesondere auch für den deutschen Markt im Bereich der Haupturlaubsreise in Verbindung mit der Verbilligung der Flugpauschalreisen, die mehr oder minder zu einem Ablenkungseffekt geführt haben.

Strukturschwächen und Imagedefizite des Tourismusangebotes – teilweise gibt es zugegebenermaßen einen Nachholbedarf an modernen Attraktionen, Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen, fehlende Ansätze in Richtung eines wachstumsorientierten Marketings – haben zwischendurch oft die Vermarktung Österreichs als modernes Urlaubs- und Reiseland erschwert. Ein Großteil des Angebotes ist auch auf einkommensschwache Schichten ausgerichtet, die relativ preis- und konjunkturempfindlich sind. Dies gilt wiederum insbesondere für den deutschen und holländischen Markt.

Österreich hat bezüglich der Angebotsgestaltung und der Vertriebskanäle in den letzten Jahren teilweise den Anschluß an die internationale Entwicklung verloren. Dies gilt insbesondere für den Bereich der elektronischen Informations- und Reservierungssysteme. Ich persönlich bin sehr froh darüber, daß erkennbar ist, daß man da schon auf Aufholjagd, wenn nicht sozusagen schon wieder auf der Überholspur ist. Wenn man aber den Stellenwert in der Gesamtwirtschaft betrachtet, so ist er sicherlich beachtlich.

Die in Österreich getätigten Aufwendungen für Tourismus und Freizeit erreichten 1994 eine Größenordnung von 390,7 Milliarden Schilling, 1995 396,6 Milliarden Schilling, und für 1996 ist laut Expertenmeinung mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Die Lage der österreichischen


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