Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 32

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sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament daran teilgenommen hat. Das war eine wichtige Geschichte.

Ich würde empfehlen – ich habe auch gestern mit dem französischen Außenminister Hubert Vedrine am Rande des Besuchs von Präsident Chirac beim Abendessen eine Stunde lang darüber geredet –, diesen Dialog jetzt weiterzuführen. Dieser ist jetzt angeknüpft, und jetzt müßten wir auf allen Ebenen – Parlamentarierbesuche, Wirtschaftsministerkontakte, Journalisten, Wirtschaftsleute – versuchen, diesen Gesprächsfaden fortzuspinnen.

Man darf natürlich nicht vergessen, daß dies eine enorm schwierige Situation für Algerien ist: In den letzten fünf Jahren sind ungefähr 80 000 Menschen massakriert worden, und das hat natürlich eine Spannung in der Gesellschaft erzeugt, die man sich von außen gar nicht vorstellen kann. Daher ist die Wendung von der Terrorismusbekämpfung und davon, dessen Wurzeln, die zum Teil auch außerhalb Algeriens liegen, auszutrocknen, absolut berechtigt. Da darf man keinesfalls wanken.

Ich verstehe das Sicherheitsbedürfnis der algerischen Regierung und der Bevölkerung absolut. Es muß nur klar sein, daß sich alle Maßnahmen, die wir treffen, nicht gegen die Bevölkerung, nicht gegen den Islam richten. Das ist keine Glaubensfrage, sondern das hat zum Teil ganz andere Ursachen und Wurzeln, die man in diesem Dialog aufzeigen und aufdecken könnte.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Albrecht Kone#ny um seine Zusatzfrage.

Bundesrat Albrecht Kone#ny (SPÖ, Wien): Die Troika und jetzt der Besuch der Parlamentarier und alle anderen vergleichbaren Initiativen stehen immer unter dem Druck einer algerischen Haltung, die das widerwillig, ablehnend behandelt, und es in Wirklichkeit zur inneren Angelegenheit erklärt.

Gibt es Signale, daß es zu einer Aufweichung der algerischen Haltung kommt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Offiziell nein. Das muß man ganz offen sagen. Es hat auch keinen Sinn, sich diesbezüglich Illusionen zu machen. Ich habe auch ausdrücklich davon gesprochen: Wenn man erwartet hat, daß der Troika-Besuch das bringt, dann war dies eine Fehlerwartung, dann war der Besuch ein Mißerfolg.

Ich glaube, er war wichtig, er war notwendig, man muß ihn aber auch mit realistischen Erwartungen verknüpfen. Und in diesem Sinn bewegt sich – so würde ich einmal sagen – bei jedem dieser Kontakte etwas. – Nicht genug für uns, keine Frage! All die Fragen wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Behandlung der Opposition, Menschenrechte, Opferfrage, humanitäre Hilfe – diese wird derzeit ganz vehement abgelehnt, was ich persönlich gar nicht verstehe, muß ich ganz offen sagen, weil das gut gemeint ist und durchaus nicht gegen die Regierung verstanden werden darf – müssen thematisiert werden. Das muß weitergehen, und ich würde mich da absolut nicht entmutigen lassen.

Man sollte sich jedoch davor hüten, zu glauben, man könne dort ein Protektorat errichten oder intervenieren. Algerien ist ein selbständiger, souveräner Staat, hat auch eine gewisse Geschichte, auf die man Rücksicht nehmen muß, und verdient es, daß man sich als EU, als Europa weiter dieser Dinge und dieser Probleme annimmt – selbst wenn das nicht einfach ist und aufs erste nicht den großen Erfolg bringt.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.


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