Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 40

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Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Ich bin ein einfaches Gemüt. Die Frage war so kompliziert, daß ich ihr nicht folgen konnte.

Wir werden jedenfalls im Rahmen der Vereinten Nationen, wo der Schwerpunkt liegt, Sorge dafür tragen, daß auch im Interesse der Zivilbevölkerung im Irak verhindert wird, daß ein Diktator auf Kosten der Zivilbevölkerung seine Spiele treibt. Das ist meine persönliche Meinung. Und dafür gibt es nach 1991 ein ganz klares Mandat der Staatengemeinschaft, nämlich eine einstimmig gefaßte Sicherheitsratsresolution, bei welcher Österreich als damaliges Sicherheitsratsmitglied überdies federführend mitgewirkt hat. Heute haben wir zwei Mitglieder in diesem UNO-Inspektionsteam und hoffen, daß dieser gemeinsame Druck wirkt, der nicht gegen die Bevölkerung, sondern gegen den Diktator und sein Team gerichtet ist.

Es gibt ein Angebot von Kofi Annan, möglicherweise sogar eine Mission nach Bagdad vorzubereiten, aber nur dann, wenn wirklich signalisiert wird, daß der Irak zu Konzessionen bereit ist – unter anderem auch, daß die Ölförderung erhöht wird, was der Zivilbevölkerung zugute käme. Das scheint mir sehr vernünftig zu sein.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Engelbert Schaufler.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizekanzler! Ich hatte im Juli 1996 mit einer kleinen österreichischen Delegation Gelegenheit, einen Teil des Irak kennenzulernen, so auch den irakischen Außenminister und Stellvertreter von Saddam, Tarek Aziz. Dieser erklärte uns seinerzeit, daß der Irak über keine Raketen mehr verfüge. Einige Monate später wußten wir dann die Wahrheit: Es waren doch einige vorhanden.

Inwieweit stellen die chemischen und biologischen Waffen, die im Irak vermutet werden, eine Bedrohung für Europa dar, und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die bisher aufgefundenen Waffenarsenale sprechen eine ganz eindeutige Sprache: Es ist tatsächlich ein riesiges Potential an Massenvernichtungsmitteln entwickelt worden, die teilweise auch gegen die Kurden  – dazu wurde ich vorher gefragt  – voll eingesetzt worden sind. Die schrecklichen Bilder, die am Montag oder Dienstag in der "Zeit im Bild 2" von den Opfern zu sehen waren, von Kindern und Greisen, die mit solchen Nervengasen und Giftgasen behandelt wurden, machen das Problem deutlich sichtbar.

Bisher hat die UNSCOM 38 000 chemische Waffen, eine halbe Million chemische Kampfstoffe, 48 einsatzbereite Raketen, sechs Abschußrampen und 30 spezielle Raketensprengköpfe für chemische und biologische Waffen gefunden und vernichtet. Trotzdem glauben wir, daß der Irak noch immer  – ich zitiere jetzt verschiedenste Quellen  – 19 000 Liter Botulinum, 8 000 Liter Anthrax, ein Milzbranderreger, 2 000 Liter Aflatoxin und einige einsatzfähige SCUD-Raketen mit chemischen und biologischen Köpfen besitzt. Und das ist der Grund, warum so massiv versucht wird, uneingeschränkten Zugang zu allen möglichen Lagerungsplätzen zu bekommen.

Präsident Ludwig Bieringer: Die Fragestunde ist damit beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt sind neun Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle anderen übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.


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