Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 109

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Verstärkung der Verbrechensbekämpfung wird fortlaufend entkriminalisiert, der Strafvollzug humanisiert und wenig beziehungsweise gar nichts für die Verbrechensopfer getan. Man könnte von einem auf ideologischen Wurzeln beruhenden stillen Ausbau des Verbrecherschutzes sprechen. Jede Verschonung von Verbrechern muß sich aber als logisches Ergebnis zum Nachteil der Opfer auswirken. Dem Gesetzgeber ist der Opferschutz sichtlich nicht ein annähernd so großes Anliegen wie die Verbesserung der Situation der Rechtsbrecher.

Ich möchte Ihnen auch ein paar Beispiele für diese Behauptung nennen, weil Herr Kollege Kone#ny das nicht glauben kann, ein paar Beispiele, die das bestätigen. Allein mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996 wurde unter dem Banner der verschärften Bekämpfung der Kriminalität in sage und schreibe 13 Punkten die Position der Rechtsbrecher unauffällig erleichtert. Es erfolgte eine Erweiterung der Härteklausel zugunsten des Rechtsbrechers bei der Abschöpfung der Bereicherung, nämlich zwingendes Absehen davon unter anderem dann, wenn die Bereicherung zum Urteilszeitpunkt nicht mehr vorhanden ist. – § 20a Abs. 2 Z 3 des Strafgesetzbuches. Keine Ersatzfreiheitsstrafen für Abschaffung der Bereicherung und Verfall; Verzicht auf den Versuch, die Geldstrafe vor Neubemessung der Höhe des Tagessatzes einbringlich zu machen; die Möglichkeit der bedingten Nachsicht von Nebenstrafen und Rechtsfolgen unabhängig von der bedingten Nachsicht der Hauptstrafe; kein zwingender Widerruf mehr bei bedingter Strafnachsicht oder Entlassung, wenn der Rechtsbrecher eine gerichtliche Weisung trotz förmlicher Mahnung nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluß des Bewährungshelfers entzieht; eine wesentliche Entschärfung der nunmehr "Kindesentziehung" genannten Bestimmung im § 195 des Strafgesetzbuches; der Entfall der Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts oder mit Tieren; die Einführung eines Lösungsbetrages zur Abwendung der Sicherstellung der Abschöpfung der Bereicherung; das Recht des Untersuchungshäftlings, Telefongespräche zu führen; die Kaution bei allen Verbrechen, auch wenn sie mit mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind; die Entschärfung der Verfallsbestimmung für die Kaution; die Möglichkeit des Aufschubs der Abschöpfung der Bereicherung und die Hemmung des Vollzugs bei einem Antrag auf nachträgliche Strafmilderung, auch wenn generalpräventive Gründe dagegen sprechen.

Und so geht es weiter. Im Zusammenhang mit der Kronzeugenregelung wurde unter anderem, vom Problem ganz unabhängig, die bedingte Nachsicht auch in Fällen zehnjähriger oder lebenslanger Strafdrohung ermöglicht. Das neue Suchtmittelgesetz wurde dazu genützt, mit der Grenzmengenverordnung die unliebsame – weil strenge – Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu den Grenzmengen auszuschalten. Die geplante Diversionsregelung, besser bekannt unter dem Titel "außergerichtlicher Tatausgleich", macht es schließlich möglich, Straftätern gegen geringes Entgelt einen Persilschein auszustellen. Da geht es nicht – damit das klargestellt ist – um Bagatelldelikte, sondern es darf nicht übersehen werden, daß mit der geplanten Änderung, abgesehen von einer systemfremden Übertragung von Kompetenzen an den Staatsanwalt, die Schwelle des Unrechtsbewußtseins deutlich hinaufgesetzt, die positive Generalprävention in Frage gestellt und damit auch die Motivation zur Rechtstreue beträchtlich verringert werden.

Herr Minister! In der Fernsehsendung "Report" dieser Woche hat ein Beamter Ihres Ministeriums im Fernsehen gesagt, man plane in Ihrem Ministerium eine Regelung, wonach dieser außergerichtliche Tatausgleich in Hinkunft auch für Sexualstraftaten gegen Kinder eingeführt werden soll. Die damit verbundene Behauptung dieses Beamten, dies sei im Interesse der Opfer solcher Straftaten, kann ich wirklich nur als Zynismus empfinden. Sexualstraftaten gegen Kinder sind scheußliche Verbrechen, die man nicht als Bagatelldelikte behandeln kann. Herr Bundesminister! Ich möchte Sie auffordern, zu verhindern, daß sich solche Täter billig von ihrer Schuld freikaufen können.

Das Strafrecht ist eine sehr sensible Materie, die mit Ruhe und Kontinuität behandelt werden soll und die nicht vom rastlosen Gesetzgeber durch mindestens jährliche Novellen in Bewegung gehalten werden sollte. Auch Anlaßgesetzgebung ist daher grundsätzlich abzulehnen. Nicht Anlaßfälle wie die Affäre Dutroux oder des EuGH-Richters Wathelet sind es daher, die eine Reaktion erfordern. Die klaren Fakten der letzten Monate und Jahre zeigen vielmehr die Notwendigkeit eines Umdenkens. Dringend notwendig ist zum Schutze unserer Kinder eine Verschärfung des Strafrechts im Bereich der Sittlichkeitsdelikte. Die sonst so rührige Strafrechtslegislative ist bis


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