enden und beratenden Möglichkeiten und somit eine Hinwendung zu einer effektiveren Hilfestellung bewirkt.
Primäres Anliegen ist es eben, die Kinder zu schützen, wozu auch gehört, daß präsumptive Täter abgeschreckt werden, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen, zur Verantwortung gezogen zu werden.
Ein Überblick über die Zahl der bekanntgewordenen Fälle sowie der ermittelten Tatverdächtigen wegen der §§ 206 und 207 StGB und des Verhältnisses der Verurteilten zu den ermittelten Tatverdächtigen in den Jahren 1993, also nach dem Strafrechtsänderungsgesetz, bis 1996 beweist darüber hinaus, daß die geschilderten Maßnahmen keinen Rückgang im Anzeigeverhalten bewirkten. Allein in den Jahren 1995 und 1996 ist die Zahl der bekanntgewordenen Fälle um 25 Prozent, der ermittelten Tatverdächtigen um 23 Prozent und der Verurteilten um 24 Prozent gestiegen. Die Verurteilungsquote liegt bei den §§ 206 und 207 StGB weit über dem Durchschnitt sämtlicher strafbarer Handlungen, wobei anzunehmen ist, daß die Nichtverurteilungsquote bei den angeführten Tatbeständen hauptsächlich auf Beweisschwierigkeiten zurückzuführen ist.
Grundsätzlich vertrete ich die Auffassung, daß die primäre Berufspflicht des Arztes in der Behandlung und Therapie liegt. Nach der derzeitigen Rechtslage trifft allerdings jeden Arzt eine Anzeigepflicht, wenn er in Ausübung des Berufes Anzeichen dafür feststellt, daß durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt worden ist oder daß durch das Quälen oder Vernachlässigen eines unmündigen Jugendlichen oder Wehrlosen dieser am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt wurde. Das Unterlassen dieser Pflicht begründet derzeit eine Verwaltungsübertretung.
Allerdings sollte auch für den Bereich der ärztlichen Tätigkeit, wie schon hinsichtlich der öffentlichen Stellen geschehen, der für die übrigen im beratenden und betreuenden Bereich tätigen Berufsgruppen geltende Grundsatz zur Anwendung gelangen, daß sie bei Bestehen oder zum Aufbau eines besonderen Vertrauensverhältnisses eine Anzeigepflicht nur nach Vornahme einer berufsspezifischen Interessensabwägung trifft, die eine Abwägung zwischen den Interessen des Kindesschutzes und der Strafverfolgung erlaubt. Nur auf diese Weise kann Zugang zu den betroffenen Familienmitgliedern gefunden und verhindert werden, daß nach jeder Verletzungshandlung mit unklarem Verletzungshergang ein anderer Arzt aufgesucht wird.
Gerade darin lag die Problematik in dem in der Anfrage angesprochenen sogenannten Fall Kevin, weil die Mutter zunächst aus Furcht vor einer Verfolgung ihres Lebensgefährten auf die unbedingt erforderliche Behandlung des Kindes verzichtete.
Soviel zu der Anzeigeverpflichtung.
Zur Frage 4: Diversion in den angesprochenen Bereichen. – Mit dem Schlagwort "Diversion" werden alle jene staatlichen Reaktionsformen auf strafbares Verhalten bezeichnet, die vor einem Strafverfahren, außerhalb oder anstelle eines solchen erfolgen und den Verzicht auf die Durchführung oder Beendigung des Strafverfahrens ermöglichen. Sie sind in der Regel von Leistungen des Verdächtigen, wie Schadensgutmachung, Zahlung einer Geldbuße, Leistung gemeinnütziger Arbeit und dergleichen, abhängig.
Wie ich bei mehreren Gelegenheiten bereits festgestellt habe, zielen diese Maßnahmen auf den unteren Kriminalitätsbereich, die sogenannte Bagatellekriminalität. Ihre Einordnung, soweit es den Anwendungsbereich der Staatsanwaltschaften betrifft, auf Straftaten mit einer Freiheitsstrafdrohung bis zu fünf Jahren entspricht diesen Vorstellungen und unserem System des materiellen österreichischen Strafrechts, das nach Deliktsgruppen unterscheidet und in diesen mit abgestuften Strafrahmen differenziert. So sind unter dem Begriff "Einbruchsdiebstahl" nicht nur schwere Delikte, sondern beispielsweise auch die Entfremdung, wie es dort heißt, eines alten Fahrrades zu verstehen, sofern dieses mit einer der üblichen Zahlenschlösser gesichert war. Eine derartige Straftat ist daher mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht.
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