Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 121

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sein. Im Sinne dieser Erwägungen glaube ich aber nicht, daß sie als Voraussetzung des Ausgleiches ausnahmslos, ohne Möglichkeit der Berücksichtigung der Erfordernisse des einzelnen Falles, festgeschrieben werden sollte. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Das neue Instrument, das im Jugendstrafrecht und im Erwachsenenstrafrecht große Erfolge gezeitigt hat, sollte weder ideologisch überladen noch bürokratisch eingeschränkt werden. Dies umso mehr, als die durch strafbare Handlungen geschädigten Personen aus einem gelungenen Ausgleich jedenfalls ungleich mehr unmittelbaren Nutzen ziehen können als aus einer strafgerichtlichen Verurteilung des Beschuldigten mit dem mühsamen Weg des Opfers, zu seinem Schadenersatz zu kommen.

Zur Frage 10 und zur letzten Frage, zur Frage 24, bei der es um die Kontrolle der Sittlichkeitstäter geht, darf ich folgendes sagen: Schon derzeit besteht die Möglichkeit, im Zuge einer bedingten Entlassung Weisungen, darunter insbesondere auch Therapieweisungen, zu erteilen, deren Befolgung zu überwachen und im Falle der Nichtbefolgung die bedingte Entlassung zu widerrufen.

Vielfach werden Personen, die wegen eines Sexualdeliktes an Unmündigen angeklagt sind, in den Maßnahmenvollzug eingewiesen. Das bedeutet, daß sie im Vollzug in ärztlicher und psychologischer Betreuung sind und bei ihrer Entlassung eine Probezeit ausgesprochen wird, in der eine entsprechende Behandlung und Beobachtung durchgeführt werden.

Unabhängig davon hat das Bundesministerium für Justiz im Vorjahr damit begonnen, alle in Österreich wegen Sexualdelikten verurteilten Personen besonders zu erfassen. Sofern sie lediglich zu einer Freiheitsstrafe ohne Verhängung einer vorbeugenden Maßnahme verurteilt wurden, wird seither im Hinblick auf ihre Entlassung ihr psychischer Zustand überprüft und ihnen gegebenenfalls eine weitere Betreuung nach Haftentlassung nahegelegt und ermöglicht.

Die dabei gemachten Beobachtungen sind auch eine wertvolle Hilfe für die Diskussionen in der Arbeitsgruppe Sexualstrafrecht, in der auch dieser Problemkreis erörtert wird.

Wir müssen uns jedoch dessen bewußt sein, daß nicht alle Unzukömmlichkeiten und Defizite im Bereich der psychosozialen Behandlung und Betreuung aufgefangen werden können, schon gar nicht von der an und für sich dafür nicht zuständigen Justiz.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß nach der jüngst beschlossenen Regelung in Deutschland zwar im Rahmen der sogenannten Führungsaufsicht Therapieweisungen aufgetragen werden können, die Nichtbefolgung dieser Weisungen aber keinen Sanktionen unterliegt.

Zur Frage 11 betreffend Rückfallstatistik: Jede Änderung im Bereich strafgesetzlicher Maßnahmen wird in der ersten Zeit ihrer Geltung einer vielfältigen Evaluierung unterzogen. So wird bei der Erstellung der jährlichen Wahrnehmungsberichte der staatsanwaltschaftlichen Behörden, mittels Aufträgen zur besonderen Berichterstattung, bei den Revisionsplänen und bei den Amtseinschauen, anläßlich regelmäßiger Leiterbesprechungen, durch Initiierung und Unterstützung wissenschaftlicher Begleitforschung, insbesondere durch das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, und nicht zuletzt auch durch Auswertung statistischer Unterlagen, insbesondere durch das Österreichische Statistische Zentralamt, auf aktuelle Gesetzesänderungen und deren Auswirkungen auf die Praxis Bedacht genommen. Auch wenn das Österreichische Statistische Zentralamt durch eine Verbesserung des Datenverarbeitungsprogrammes seit kurzem in der Lage ist, über die Daten der gerichtlichen Kriminalstatistik hinaus für solche Untersuchungen ausführlichste Rückfallstatistiken nach allen möglichen Kriterien zu erstellen, so ist mit solchen Statistiken doch nicht alles beantwortet.

Man darf nämlich nicht vergessen, daß die Frage, ob ein Straftäter rückfällig wird, auch und vorwiegend von sehr vielen justizunabhängigen Faktoren abhängt, insbesondere davon, wie die Gesellschaft im allgemeinen mit Menschen und ihren Problemen umgeht. Eine eindimensionale Verknüpfung der Rückfallsquote mit der Qualität und der rechtspolitischen Sinnhaftigkeit von


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