Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 122

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Änderungen im Strafrecht wird meines Erachtens der gegebenen Komplexität des Problems nicht gerecht.

Einige der Fragen beschäftigen sich mit dem Opferschutz, und zwar die Fragen 12 bis 15, 18, 19 und 21. Ich möchte diese zusammenfassend wie folgt beantworten:

Unabhängig von der bereits erfolgten stärkeren Opferorientierung des Straf- und Strafverfahrensrechts bedarf es weiterer konkreter Reformschritte, die von der Verfahrensbegleitung von Opfern und Zeugen samt psychosozialer und rechtlicher Beratung und Betreuung während und nach Beendigung des Verfahrens bis hin zur verfahrensrechtlichen Stellung des Verbrechensopfers im Gesamtgefüge des Strafprozesses unter Befriedigung des Bedürfnisses an materieller und immaterieller Wiedergutmachung reichen.

Die Vorteile, aber auch die Grenzen der Beteiligung des Opfers am Strafprozeß wurden, wie ich schon erwähnt habe, auch im Rahmen des letzten, des 13. Österreichischen Juristentages in umfassender Weise dargestellt und gewichtet. Dabei hat sich deutlich gezeigt, daß es im Strafprozeß in erster Linie darum geht, die Stellung eines vermuteten Tatopfers im Verhältnis zur Stellung des Verdächtigen zu bestimmen. Die damit zusammenhängenden Strukturfragen, insbesondere auch die schwierig zu lösende Frage nach der verfahrensrechtlichen Durchsetzung und Sicherung der Einhaltung von Opferrechten, sind daher im Gesamtzusammenhang der fälligen Neugestaltung des strafprozessualen Vorverfahrens zu behandeln.

Die Aufwertung der Rechtsstellung des Opfers kann nämlich nur in einer Verfahrensstruktur geschaffen werden, in welcher auch die Rechte des Beschuldigten in angemessener und fairer Weise definiert werden. Ansonsten bestünde die Gefahr eines Ungleichgewichtes, wenn dem Staatsanwalt eine Art gleichberechtigter "Nebenkläger" zur Seite tritt.

Im Rahmen dieses, wie ich schon erwähnt habe, in Kürze in Gestalt eines Diskussionsentwurfes vorzulegenden Vorhabens, soll nach den Vorstellungen meines Ressorts eine weitergehende Aufwertung der Rechtsstellung von Personen, die durch eine strafbare Handlung körperlich oder seelisch schwer verletzt wurden, erreicht werden. Darüber hinaus sollen dem Opfer über die nach derzeitiger Rechtslage dem Privatbeteiligten zustehenden Rechten hinaus weitergehende Informations- und Parteirechte, Anspruch auf Belehrung über seine Verfahrensrechte, Akteneinsichtsrechte, Teilnahmerechte an Beweisaufnahmen und dergleichen eingeräumt werden.

In Anlehnung an ausländische Vorbilder, etwa das angesprochene eidgenössische Opferhilfegesetz, soll schließlich an die persönliche Betroffenheit und den Grad der Viktimisierung angeknüpft werden. Für einen solchen engeren Personenkreis sollten besondere Verfahrensbestimmungen sowohl ihre Rechtsstellung als auch ihre Ansprüche auf immaterielle und materielle Wiedergutmachung betreffend geschaffen werden.

Schon vor der Verwirklichung dieses Reformvorhabens erscheint es allerdings dringlich, Opfer von Straftaten umfassender als bisher über die ihnen schon heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf Strafverfahrens-, aber durchaus auch auf Zivilverfahrens- und sozialrechtlicher Ebene zu belehren. Eine diesbezügliche, von meinem Ressort verfaßte Broschüre ist in Fertigstellung. Danach werden Opfer von strafbaren Handlungen besser in die Lage versetzt sein, bestehende Informations- und Gestaltungsrechte sowie Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

Es ist auch durchaus unser Anliegen, neben legislativen Bemühungen die praktische Umsetzung bereits geschaffener Bestimmungen, insbesondere jener über die Begleitung von Zeugen durch Vertrauenspersonen und die Durchführung schonender Vernehmungen von kindlichen Tatopfern oder in ihrer Sexualsphäre verletzten Personen durch verstärkte Belehrungs-, Beratungs- und Betreuungsangebote zu erleichtern und zu verbessern.

Über die Auflage der erwähnte Broschüre hinaus soll daher eine stärkere Koordination und Vernetzung schon bestehender Einrichtungen, insbesondere auf dem Gebiet der Jugendwohlfahrt und der Beratung und Betreuung von Opfern von Sexualdelikten, herbeigeführt werden. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen im März dieses Jahres beginnenden Modellversuch


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