Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 146

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19.05

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Bevor ich die Fragen beantworte, erlaube ich mir, kurz einige Worte zu dieser Angelegenheit zu sagen. Otto Mühl wurde von einem österreichischen Gericht aufgrund seiner Straftaten rechtskräftig verurteilt und hat diese Strafe verbüßt. Die österreichische Rechtsordnung sieht vor, daß darüber hinausgehende Verfolgungshandlungen grundsätzlich nicht angebracht sind. Bei der Beurteilung des Künstlers Otto Mühl ist natürlich die Schwere der ihm zur Last gelegten beziehungsweise auch festgestellten Verbrechen durchaus tiefgreifend, das soll hier nicht verharmlost werden. Seine Taten sind in keiner Weise zu verteidigen oder zu entschuldigen. Er hat aber seine Strafe dafür bekommen und auch verbüßt.

Es ist also die künstlerische Beurteilung des Menschen Otto Mühl von seiner künstlerischen Tätigkeit zu trennen. Es ist auch sein Gesamtwerk mit der Schwere seiner Verfehlungen in der öffentlichen Auseinandersetzung zu beurteilen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Jetzt machen Sie Werbung!) Das heißt aber, daß diese Beurteilung jeder für sich zu treffen hat.

Fest steht auch, daß Otto Mühl einer jener Repräsentanten des Wiener Aktionismus war, die diese repräsentative österreichische Kunstrichtung sehr wesentlich beeinflußt haben, und daß er seinen Platz in der Kunstgeschichte gefunden hat. Der Wiener Aktionismus war eine jener Kunstströmungen, die die zeitgenössische Kunst in Österreich weit über die Grenzen Österreichs hinaus international zur Geltung gebracht hat.

Ich möchte darauf verweisen, daß derzeit eine Ausstellung des Wiener Aktionismus im Museum of Contemporary Arts in Los Angeles zu sehen ist, was die internationale Notwendigkeit bedeutet, sich mit dem künstlerischen Schaffen dieser Gruppe auseinanderzusetzen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Jetzt machen Sie Werbung für ihn, nicht wahr, Herr Staatssekretär?! Warum machen Sie Werbung für ihn?! Es sollten doch auch andere Künstler eine Chance haben, daß Sie Werbung für sie machen, Künstler, die nicht verurteilt waren!)

Es liegt mir völlig fern, für irgend jemanden Werbung zu machen, sondern ich stelle fest, worum es sich bei der Angelegenheit Mühl handelt, nämlich einerseits um die Verfehlungen, die strafrechtlich abgeurteilt wurden, die auch zu Recht mit einer Strafe versehen wurden, die verbüßt wurde, und andererseits um die Beurteilung des Schaffens des Künstlers Otto Mühl.

Ich glaube aber auch, daß es ein sehr wichtiger und entscheidender Punkt ist, daß sich die Politik nicht in die Gestaltung des Spielplanes eines Hauses einmischt, sondern die Entscheidung über die Gestaltung des Spielplanes eines Hauses demjenigen überläßt, dem sie die Leitung dieses Hauses anvertraut hat. Es ist daher notwendig, den künstlerischen Leiter eines solchen Hauses autonom entscheiden zu lassen, was er auf seinen Spielplan setzt. Ich halte es für eine der wichtigsten Aufgaben der Politik, sich nicht in das künstlerische Tagesgeschäft dieser Spielleiter einzumischen. Ich glaube, daß es in diesem Bereich eine autonome Entscheidung geben muß und daß die Spielpläne nicht durch die Politik beeinflußt werden sollen.

Die Freiheit der Kunst geht für mich so weit, daß man dem künstlerischen Leiter eines Hauses die Gestaltung seines Spielplanes zu überlassen hat, auch wenn man sich nicht unbedingt mit Form oder Inhalt seines Spielplanes identifiziert. Das ist eine politische Entscheidung, die wir so handhaben, und ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem Entscheidungen entgegen der politischen beziehungsweise öffentlichen Geschmacksrichtung möglich sind und in dem diese Möglichkeit dem jeweiligen Verantwortlichen auch eingeräumt wird. (Bundesrat Mag. Gudenus: Stehen Sie hinter dem, was Peymann macht?)

Ich werde mich auch in Zukunft nicht in die Spielplangestaltung der einzelnen Häuser einmischen. Es gibt im Laufe eines Spieljahres Produktionen, die mir gefallen, und einige andere Produktionen, die mir nicht gefallen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Hat die gestrige Ihnen gefallen?!) Das ist aber meine persönliche Einschätzung, und ich glaube nicht, daß meine persönlichen Befindlichkeiten hier Thema der Anfrage sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer.  – Bundesrat Mag. Gudenus: Es interessiert das Publikum! – Bundesrat Dr. Harring: Das interessiert uns schon!)


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