Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 148

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Zur Frage 17: Ja, mehrere Schauspielerinnen und Schauspieler haben die Mitwirkung an dieser Lesung aus inhaltlichen Gründen verweigert. Dazu ist jedoch anzumerken, daß die Teilnahme an Lesungen gemäß dem Schauspielergesetz nicht verpflichtend ist.

Zur Frage 18: Ich persönlich habe in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Presse" gesagt, daß es eine autonome Entscheidung des Direktors ist, wie er die künstlerische Gestaltung seines Hauses vornimmt, und es nicht Aufgabe der Politik sein kann, in künstlerische Entscheidungen der Häuser einzugreifen. Es gibt Direktoren, die dafür verantwortlich sind, und man sollte ihnen diese Autonomie lassen und in keiner Form eingreifen. Das ist für mich ein Credo, welches ich auch weiterhin befolgen werde. Das ist auch das Credo, das ich heute neuerlich hier ablege und das unabhängig von der Situation des Otto Mühl zu sehen ist.

Zur Frage 19: Es liegt in der Natur der Sache, daß nicht immer alle Vorstellungen des Burgtheaters exakt den Vorstellungen der politisch Verantwortlichen entsprechen. Ich bin aber davon überzeugt, daß niemand ein System halten wollte, auf das diese von Ihnen gewählte Formulierung zutrifft. Ich habe bereits ausgeführt, daß wir – im Gegenteil – versuchen, die Autonomie der Theater zu stärken, und zwar sowohl künstlerisch als auch ökonomisch.

Im wesentlichen würde ich bei der sehr emotionalen Behandlung dieses Themas die Trennung zwischen dem Menschen Otto Mühl mit den nicht zu verharmlosenden Verbrechen, die er begangen hat, und dem Werk Otto Mühls als Künstler durchaus in meine Überlegungen einbeziehen, weil in diesem Fall zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen angebracht sind. Es kann nicht sein, daß wir über das Strafrecht hinausgehende Verfolgungsmaßnahmen setzen, wenn es sich um einen Künstler handelt. – Danke.

19.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gudenus. Ich darf ihn bitten, das Wort zu ergreifen, und weise nochmals auf die 20 Minuten Gesamtredezeit hin.

19.17

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Jetzt richte ich meinen Gruß auch an jemanden, der nicht hier anwesend ist, nämlich an Herrn Mag. Reinhard Kohlprath, wohnhaft in der Zahnradbahnstraße in Wien 19. Er hat nämlich einen Brief an den Bundeskanzler gerichtet, und dieser Brief vom 11. Februar gelangte auch in meine Hände.

Ich gebe Herrn Mag. Kohlprath in allen Punkten seines Schreibens zu Otto Mühl recht – mit einer Ausnahme: Meine Parteifreunde und ich, wir widersprechen sehr wohl. Wir sind nämlich empört, und ich persönlich bin geniert ob des Schweigens der von ihm angeführten Personen am Ballhausplatz, im Parlament und in den Ministerien. Wir Freiheitliche schweigen nicht zu dem Skandal, Otto Mühl ein öffentliches Auftreten zu ermöglichen und sich dabei hinter dem Paravent der Freiheit der Kunst und der Freiheit des Burgtheaters zu verstecken!

Ja, Thomas Bernhards Kunstfigur "Professor Robert" aus dem "Heldenplatz" hat in ihren Ausfällen über den mentalen und moralischen Zustand unseres Gemeinwesen recht! Ich greife Immanuel Kants Aufforderung auf, die da lautet: Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen und dies auch öffentlich auszudrücken!

Ich habe den Mut, zu sagen, daß mir dieses Verhalten um und mit Otto Mühl auf keinen Fall gefällt und nicht toleriert werden kann. Es geht nicht um die Kunst Otto Mühls, es geht um ihn und um die Behandlung und Lächerlich-Machung der Republik und der österreichischen Justiz, Herr Staatssekretär! Und das wollen Sie nicht wahrhaben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Der öffentliche Diskurs um der Sache willen ist in unserer Gesellschaft unüblich und unterentwickelt. Ich klage den Zeitgeist an, ich klage die Tugendterroristen an, und ich klage


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