Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 163

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Präsident Ludwig Bieringer: Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Bundesrat Kone#ny vor.

20.27

Bundesrat Albrecht Kone#ny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nicht, um eine Debatte zu verlängern und Gesagtes zu wiederholen, habe ich mich zu Wort gemeldet, sondern um mein tiefes Unbehagen über die Art, wie hier argumentiert worden ist, zum Ausdruck zu bringen.

Da hat der Herr Staatssekretär vor wenigen Minuten in – wie ich denke – logisch absolut zulässiger Ableitung gemeint, er stehe nicht dafür zur Verfügung, Zensur auszuüben, woraufhin dann aus den hinteren Bänken in der Mitte – auch von Kollegen Gudenus, das füge ich hinzu, weil ich mich auf ihn beziehen werde – der empörte Aufschrei kam: Das sei doch das letzte, was die Anfragesteller wollten.

Manchmal ist Sprache verräterischer als das, was inhaltlich gesagt wird. Herr Gudenus hat das schöne Wort verwendet – im Protokoll sicherlich nachlesbar –, daß der Herr Staatssekretär mit denen im Burgtheater "umspringen" sollte. Wie ist das also mit dem Umspringen? Steht das für "freundschaftlicher Ratschlag" in der Übersetzung des Duden, oder was sonst? – Umspringen heißt, daß ich jemanden mit aller mir zur Verfügung stehenden Gewalt – der Gewalt des Herrschenden – zu einem bestimmten Verhalten zwinge. Und derselbe Redner hat auch gemeint: Nein, wir sind nicht dafür, daß der Herr Staatssekretär immer ins Burgtheater eingreift, sondern nur dann, wenn so etwas passiert.

Bitte schön: Entweder – oder! Wir sind sozusagen auf das Verkehrsstrafrecht angewiesen: Wenn alle immer rechts und ordentlich fahren, brauchen wir es nicht! Genau das ist der Punkt: Will ich dort Zwangscharakter einführen – was Strafrecht ist –, dann ist das ein legitimer Standpunkt. Aber wenn ich Zensur ablehne, dann ist das kein legitimer Standpunkt, denn ich kann nur entweder Zensur üben oder nicht. Die gute Zensur gibt es sowenig wie den guten Diktator! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Zweites: Es haben sich zahlreiche Sprecher der Opposition in einer Emphase, die selbst schon wieder an die Grenze des guten Geschmacks ging, über die Delikte des Herrn Mühl ausgelassen. Mehr oder weniger deutlich – manche haben es ziemlich deutlich ausgesprochen, das ist auch eine Frage des sprachlichen Vermögens – ist einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung, Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion implizit und explizit unterstellt worden, daß sie sich mit dem in diesen strafbaren Taten zum Ausdruck kommenden Verhalten identifizieren oder zuwenig oder gar kein Mitgefühl mit den Opfern zeigen. Die Tatsache, daß sowohl der Herr Staatssekretär als auch Kollege Ludwig hier genau das Gegenteil gesagt haben, hat Sie in Ihrer doch sehr eigenartigen Argumentation nicht beirren können.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal feststellen: Nicht nur, daß wir aus guten Gründen einen Tagesordnungspunkt früher über eine Verschärfung der Strafgesetzgebung und auch eine Wirksamer-Machung der Strafgesetze in diesem Bereich diskutiert und uns auch in einem Punkt verständigt haben und in der generellen Richtung wohl keine großartigen Unterschiede zwischen unseren Auffassungen bestehen, darüber hinaus verurteilen wir Sozialdemokraten derartige Delikte. "Verurteilen" ist irgendwie gar nicht das richtige Wort, uns ist das widerlich, es ist zu Recht bestraft worden.

Meine Damen und Herren! Dennoch, auch wenn es nicht opportun klingt, muß es gesagt werden: Mensch und Werk sind nicht dasselbe. Ich gebe schon zu, daß es auch mir persönlich so geht, daß ich, wenn ich ein Werk bewundere, möchte, daß dahinter ein Mensch steht, der ebenso bewundernswert ist. Das geht auch auf den Heroenkult des 19. Jahrhunderts zurück, der aus jedem der zugegebenermaßen großen Künstler, denen dieser Kult gewidmet war, auch so etwas wie einen Übermenschen machte. Dabei hat es die Schöpfer dieses Kultes allerdings nicht gestört, daß zum Beispiel der Übermensch Goethe in einer Zeit, die nichts mehr verurteilt hat als den Ehebruch, trotzdem dazu Anlaß gab, daß Maturanten sämtliche 21 – oder wie viele


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