Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 164

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es auch immer waren – offiziellen Geliebten des Geheimrats auswendig können mußten; aber das nur als Nebenbemerkung.

Es ist dieses Übermenschentum nicht notwendigerweise mit Kunstproduktion verbunden. Ich will jetzt keine Namen nennen, denn in dieser heutigen Debatte käme vermutlich jeder Name, den ich nennen würde, nur in eine diffamierende Parallelität mit Mühl. Ich verkneife mir jedes Beispiel, aber es kann sich jeder selbst entsprechende Beispiele einfallen lassen. Es gab in jeder Epoche unendlich viele sehr große Künstler – bei welchen die Frage, ob sie wirklich Künstler waren, nicht mehr zu stellen ist –, die menschliche Mistviecher waren, um das in einen nicht strafrechtlich wertenden Begriff zu kleiden: Wegelagerer, Diebe, Mörder. Es exkulpiert sie nicht, daß sie große Werke geschaffen haben, und das exkulpiert auch Herrn Mühl nicht. Aber dieses Phänomen gibt es, und ich meine, daß wir hinter einem – vielleicht – großen Kunstwerk nicht immer einen Übermenschen vermuten sollten. Daher muß es legitim sein, daß zwischen diesen beiden Dingen auch unterschieden wird.

Ich habe mit dem Wiener Aktionismus meine höchst persönlichen Probleme, und es gibt einige andere Kunstrichtungen, mit denen ich auch meine Probleme habe, wenn auch nicht generell mit der Moderne. Mein Geschmack ist – ich würde sagen: zum Vorteil der österreichischen Kunst – kein Beurteilungskriterium, und ich würde anderen Kollegen, die sich heute sehr weit hinausgelehnt haben, eine ähnliche Selbsterkenntnis wünschen!

Ich glaube, daß wir uns im Bereich der Kunst – das ist die Politik dieser Bundesregierung und dieses Staatssekretärs – auf das Möglich-Machen zurückziehen sollten. Wenn ich diese Politik betreibe, dann kann ich mir allerdings nicht als Urteil anmaßen, so nebenbei zu sagen: Aber das nun wirklich nicht! – Die Entscheidung darüber, was davon Bestand hat, können wir heute nicht treffen, auch die Kunstkritik nicht, auch die Medien nicht; darüber wird in Zukunft ein Urteil zu fällen sein. Was wir uns allenfalls in einer historischen Abfolge vorzuwerfen hätten, wäre, etwas nicht möglich gemacht zu haben.

Lassen Sie mich ein Drittes sagen: Sie haben – ich glaube, es war Frau Kollegin Riess – Herrn Mühl gewissermaßen zum SPÖ-Parteimitglied erklärt. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Nein! Abgesehen davon war er es einmal!) Frau Kollegin! Ich habe gesagt: gewissermaßen. Lassen Sie mich zumindest einmal einen halben Satz vollenden, bevor Sie dazwischenbellen! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie reden schon 20 Minuten!) Zu Ihnen habe ich genau einen Viertelsatz gesagt! Kollege Gudenus hat sich meine Ausführungen geduldig angehört, Kollege Böhm hat sogar ein paarmal verständnisvoll gelächelt, und Sie werden jetzt bitte auch eine Sekunde zuhören!

Sie haben gesagt, daß Herr Mühl in dieser Kommune ein Gesellschaftsmodell exerziert habe, das von der SPÖ unterstützt wurde und das uns sympathisch war. – Das trifft nicht zu! Wie kommen Sie auf diese absurde Einschätzung? Es hat dort ein Experiment gegeben, und ich stehe dazu, daß Dinge im vorhinein anders gesehen werden können als im nachhinein. Dieses Experiment ging zu Lasten der willentlich Beteiligten, nämlich der Erwachsenen, und – Kollege Meier hat das gesagt – zu Lasten der unendlich zu bedauernden unwillentlich Beteiligten, nämlich der Kinder, und ist in einer brutalen und gemeinen Art gescheitert.

Es gibt Hunderte, Tausende beziehungsweise wahrscheinlich leider noch sehr viel mehr in geringerem Maße experimentale Familienbeziehungen, die auch grausam und brutal scheitern. Hängen Sie das irgend jemandem politisch an?

Sie haben in einem Zwischenruf gesagt, daß Mühl gewissermaßen links sei und sein Publikum links sei. Ich weiß nicht, was an Mühl links sein soll! Ich weiß nicht, ob Wiener Aktionismus etwas Linkes ist! Er geht mit einem sehr konservativen Kunstverständnis sicherlich nicht zusammen; mit einem linken – wenn damit sozialdemokratisch gemeint ist – Kunstverständnis, das es als Programm nicht geben kann, weil wir eine offene Bewegung sind, kann es zusammengehen oder kann es nicht zusammengehen.

Es gibt eine Reihe von Förderern und Lobrednern dieser Richtung, die alles andere als unsere Freunde sind. Deshalb sage ich: Ich habe viele Ihrer dringlichen Anfragen als weder dringlich


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