Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 21

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Die Diskussion über die Steuerharmonisierung hat ja bereits begonnen. Man muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß man das auch als prozeßhafte Angelegenheit verstehen muß.

Die europäischen Steuersysteme sind historisch unterschiedlich gewachsen. Es gibt unterschiedliche Besteuerungsgegenstände und unterschiedliche Steuerhöhen, aber im wesentlichen sind die Steuerquoten der Länder der Europäischen Union nicht gerade um Eckhäuser voneinander entfernt. Wenn dies das einzige Harmonisierungsproblem wäre, dann wäre die Aufgabe relativ einfach.

Was die Aufgabe so schwierig macht, ist, daß die Steuergegenstände und die Steuersätze in den europäischen Ländern extrem unterschiedlich sind. Daher ist es wichtig, anzuvisieren, worin die Steuerharmonisierung in einem ersten Schritt eigentlich bestehen soll. Aus diesem Grund ist meiner Ansicht nach mit der Entscheidung am Rat von Luxemburg, einen Verhaltenskodex zu beschließen, der helfen soll, den unfairen Steuerwettbewerb einzuschränken, ein sehr wichtiger Punkt der Übereinstimmung gefunden worden, der dazu beitragen soll, die sogenannten Steueroasen austrocknen zu lassen.

Was versteht man unter Steueroasen? – Darunter versteht man Feinheiten der jeweiligen nationalen Steuergesetzgebung, die darin bestehen, daß Gebietsfremden Vorteile gegenüber Gebietsansässigen gewährt werden. Das heißt vereinfacht ausgedrückt: Kommst du aus dem Land A in das Land B und investierst du dort, dann bezahlst du fünf Jahre lang keine Steuer. Das ist unlauterer Steuerwettbewerb, der nicht nur vor Ort ansässige Betriebe extrem bedroht, sondern einen zugezogenen Betrieb auch in eine Vorteilsposition bringt, die der Gemeinschaft insgesamt eigentlich zum Schaden gereicht.

Es ist ein wesentlicher Aspekt, daß man sich in diesem Verhaltenskodex darauf verständigt hat, den Kampf gegen Steueroasen aufzunehmen, wenn auch mit entsprechenden Übergangszeiten zur Berücksichtigung bestimmter Zusagen. Solche Zusagen laufen gegenüber einigen Kohäsionsländern bis 2002. Dabei ist etwa an die Docks in Irland zu denken, die dadurch überhaupt erst entwickelt worden sind.

Die zweite Frage betrifft die Kapitalbesteuerung, die Zinsen und Lizenzgebühren, wofür ein Richtlinienentwurf vorliegt, den Österreich grundsätzlich unterstützt, allerdings unter der Voraussetzung, daß noch bestimmte Facetten hineingenommen werden. So geht es darum, zu verhindern, daß man etwa aus einem Land mit höherem Kapitalertragsteuersatz scheinbar Lizenzgebühren an eine Muttergesellschaft entrichtet, die in einem Land mit Niedrigsteuersatz ihren Sitz hat, und dadurch Gewinne verschiebt, ohne daß Steuer bezahlt wird.

Ich denke, daß der Bereich der Kapitalertragsteuer und die Frage der Zinsen und Lizenzen den nächsten Schritt darstellen, über den man sich verständigen wird. Im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft werden wir der Frage der Steuerharmonisierung sehr großen Stellenwert zumessen. Wir haben auch die Absicht, zu Beginn unserer Präsidentschaft – in der zweiten Juliwoche – in Wien eine große europäische Steuerkonferenz zu veranstalten, in der es um gesamteuropäische Überlegungen zur Senkung der Steuerbelastung für den Produktionsfaktor Arbeit und zu den Kapitalbesteuerungsfragen, die ich angesprochen habe, gehen wird, aber auch darum, eine gesamteuropäische Perspektive im Hinblick auf die Ökologisierung des Steuersystems zu überdenken. Denn das ist in isolierter Nationalstaatlichkeit ganz einfach nicht zu schaffen. Daß es dabei Konflikte zwischen Norden und Süden, zwischen dem westlichen Rand und der Mitte der Europäischen Union gibt, brauche ich nicht besonders zu betonen.

Weil ich eingangs "prozeßartig" gesagt habe, möchte ich hinzufügen, daß wir gegenüber den Deutschen und den Finnen, die nach uns die Präsidentschaft in der Europäischen Union innehaben werden, diesen Fragenkomplex bereits angesprochen haben. Denn es wäre nicht sinnvoll, daß wir ein Thema wiederbeleben – wenn ich das so formulieren darf – und die Präsidentschaft nach uns ihre Schwerpunkte völlig anders setzt. Jeder weiß, daß sich das Ziel, eine europäische Steuerharmonisierung innerhalb der Zeitspanne einer europäischen Präsidentschaft zu erreichen, nicht verwirklichen ließe. Daher ist Kontinuität erforderlich, zunächst mit jenen beiden Ländern, die nach uns die Präsidentschaft innehaben werden. Nicht zuletzt werden


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