Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 31

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

11.39

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wie schon angesprochen, liegt uns ein Entschließungsantrag vor, der verständlicherweise von den oberösterreichischen Bundesräten ausgegangen ist. Ich möchte Sie gleich bitten, diesen auch anzunehmen und dieses Anliegen zu unterstützen. Wenn ich sage, er ist verständlicherweise von Oberösterreich ausgegangen, dann deshalb, weil sich Oberösterreich mit einem grenznahen Kernkraftwerk, nämlich Temelin, in einer Situation befindet, die Gefahren mit sich bringt und Besorgnis erregt. Dies hat im Oberösterreichischen Landtag auch dazu geführt, daß es eine große Anzahl von Initiativen, Resolutionen und auch ganz konkreten Aktionen im Zusammenhang mit Temelin gegeben hat, um den Betrieb dieses Kernkraftwerkes einzuschränken beziehungsweise zu verhindern.

Wir als Oberösterreicher befinden uns auch durchaus in Gesellschaft anderer Bundesländer, die die Gefahren der grenznahen Kernkraftwerke praktisch vor ihrer Haustüre in der Form zu spüren bekommen, daß die Bevölkerung dort verunsichert ist und sich gefährdet fühlt.

Wenn wir heute in diesem Entschließungsantrag die Fortführung der österreichischen Atomenergiepolitik fordern, dann ist es, wie ich meine, nicht völlig falsch, zu sagen, daß das Design der österreichischen Atomenergiepolitik eigentlich mit dem Akt, Zwentendorf nicht in Betrieb gehen zu lassen, entstanden ist.

Anders gelagert – vielleicht aufgrund der dort vorhandenen Wirtschaftspolitik und Energiepolitik – ist die Situation in den uns umgebenden Nachbarstaaten, die versuchen, ihre energiepolitischen Probleme mittels Kernkraftwerken in den Griff zu bekommen. Das Problem entsteht dort nicht nur aus der Tatsache, daß russische Technologie zur Anwendung kommt, daß es zu einem Mix mit westlicher Technologie kommt und daß ein Mix aus beiden Systemen an und für sich problematisch ist, sondern auch aufgrund der Tatsache – das wissen wir in der Zwischenzeit –, daß auch die westliche Technologie nicht den von uns geforderten Sicherheitsstandards entspricht.

Ich habe vor vielen Jahren Gelegenheit gehabt, in Frankreich vor der Inbetriebnahme des "Superphenix" in Creys-Malville diese Anlage zu besichtigen, und habe dort die Begeisterung sowohl der Techniker als auch der Bevölkerung erlebt, die in dieser Technologie das Nonplusultra gesehen haben. – Heute müssen wir feststellen, daß nicht nur der "Superphenix" in Frankreich nicht mehr in Betrieb ist, sondern daß auch das damals als Referenzanlage angeführte Werk in den Vereinigten Staaten stillgelegt wurde, weil die Mängel zugegeben werden mußten und weil die Fortschrittsgläubigkeit, der wir vielleicht alle zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal erlegen sind, nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.

Wenn in diesem Entschließungsantrag die Rolle Österreichs im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Osteuropa angesprochen wird, dann erinnere ich mich an die Aussage eines leitenden Beamten der Europäischen Kommission zu einem Zeitpunkt, als die Diskussion um einen Beitritt Österreichs zur EU noch kaum begonnen hatte. Dieser Beamte hat damals ein in meinen Augen sehr pathetisches Kompliment ausgesprochen, indem er gemeint hat, daß die österreichische Rolle in die Richtung gehen oder so verstanden werden könnte, Österreich als Hüter des Abendlandes zu sehen. Ich habe das damals wirklich für sehr pathetisch und stark übertrieben gehalten. Aber heute, beim Durchdenken der Problematik, die wir in den vorliegenden Entschließungsantrag eingebracht haben, habe ich doch an diese Definition und an die Verantwortung gedacht, mit der Österreich seiner Rolle gerecht werden muß. Diese Rolle haben wir ja beim Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auch formuliert, nämlich die Aufgabe, dort Verantwortung einzubringen und zur Gestaltung dieser Gemeinschaft beizutragen.

Ich meine, die vorliegende Thematik und der jetzige Zeitpunkt böten eine ideale Gelegenheit, dieser Aufforderung und dieser Rolle gerecht zu werden. Ich bitte Sie daher, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.44


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite