Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 102

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es Diskussionen in der Bevölkerung über die Osterweiterung gibt. (Bundesrat Waldhäusl: Auch!)

Nein, ich entnehme das nicht Zeitungsartikeln, sondern ich führe diese Diskussion. Ich lade Sie ein, das auch zu tun! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann das Wort. – Bitte.

17.20

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist schon eigenartig: Es wäre nicht die FPÖ, wenn sie nicht wenige Tage vor der niederösterreichischen Landtagswahl die geplante Osterweiterung thematisieren und mit den Ängsten der Bevölkerung spielen und sie schüren würde. (Bundesrat Waldhäusl: Das ist aber schlimm! Gibt es solche Ängste?)

Kollege Waldhäusl! Es wirkt kleinkariert und erinnert irgendwie an die Kirchturmpolitik eines Lokalpolitikers, wenn die Diskussion der Osterweiterung in der Enge eines Dorfes betrachtet oder geführt wird. (Bundesrat Waldhäusl: Der Pröll hat ja gar nicht geredet!)

Meine Damen und Herren! Anscheinend ist manchen von uns nicht bewußt, welche Gnade und Chance (Bundesrätin Haunschmid: Gnade!?) der Niedergang des Kommunismus und der Wegfall des Eisernen Vorhanges für uns alle bedeutet. Als Niederösterreicher ist mir bewußt, in welcher Sackgasse wir jahrzehntelang am Eisernen Vorhang gelebt und wie willkürliche politische Grenzen Menschen getrennt haben, die über Jahrhunderte eine kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Einheit gebildet haben. (Bundesrat Waldhäusl: Das ist ein Vertreter der Wirtschaft!)

Es wächst zusammen, was zusammen gehört, hat Willy Brandt anläßlich der deutschen Wiedervereinigung formuliert. Jetzt haben wir Angst vor diesem Wachsen, und es wäre nicht die FPÖ, wenn sie nicht aus diesen Ängsten politisches Kleingeld lukrieren würde.

Kollege Waldhäusl! Ich kenne Ihre Äußerungen. Sie haben permanent Pamphlete in Niederösterreich in Umlauf gebracht: Einmal klagen Sie, einmal verfassen Sie Pamphlete über Landesrat Gabmann, dann wieder ... (Bundesrat Waldhäusl: Ich habe niemanden geklagt!) Schauen Sie, es steht alles hier drinnen. (Der Redner zeigt ein Schriftstück.) Das habe ich schon vor einigen Tagen zugeschickt bekommen, Herr Kollege! (Bundesrat Waldhäusl: Sie lesen vernünftige Sachen!)

Es wird darin dargestellt, daß wir uns die Osterweiterung nicht leisten könnten. Unser Wohlstand sei gefährdet, die Wirtschaft sei nicht vorbereitet, Arbeitsplätze seien in Gefahr. – Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite zeigt aber die Erfahrung aus der Geschichte, daß Frieden und Freiheit auf diesem Kontinent auf längere Sicht nicht teilbar sind, wenn es nicht rasch gelingt, in den osteuropäischen Ländern Demokratie, soziale Marktwirtschaft, relative Lebensqualität zu schaffen und diese Länder damit zu stabilisieren.

Kollege Waldhäusl! Es erscheint vermessen, wenn Sie und die FPÖ glauben, daß es mit einer Angstkampagne möglich ist, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Seit dem europäischen Gipfel von Kopenhagen im Jahre 1993 und den Luxemburger Beschlüssen vom Dezember 1997 ist die Osterweiterung eindeutig politisch entschieden. Es geht eigentlich nur um drei Fragen: erstens – das wurde heute schon von meinem Vorredner gesagt –, wann die einzelnen assoziierten mittel- und osteuropäischen Staaten die entsprechenden Reformfortschritte nach den Kopenhagener Kriterien erreichen, zweitens, wie lange die Beitrittsverhandlungen dauern werden, und drittens, welche Bedingungen ausgehandelt werden.

Es ist sicherlich richtig, Kollege Waldhäusl, das weiß ich selbst, daß die Stimmung zur Osterweiterung in Österreich nicht positiv, ja sehr zwiespältig ist. Das ist sicherlich darauf zurück


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