Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 106

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Ich gehe auch davon aus – ich bitte die Damen und Herren der beiden Regierungsparteien, das anzunehmen –, daß wir, die Freiheitlichen, von der gleichen Sorge um die Entwicklung der Republik Österreich erfüllt sind wie Sie, meine Damen und Herren! Wir und Sie haben Sorge um die Republik Österreich, ihre Bevölkerung und ihre Entwicklung. Ich bin auch überzeugt davon, daß die Frau Staatssekretärin und der Herr Staatssekretär – sie haben eine Doppelconférence abgehalten –, aber auch andere Regierungsmitglieder die gute Absicht haben, der Republik Österreich zu dienen. In einem Punkt unterscheiden wir uns allerdings von Ihnen: Sie gehen hinsichtlich der Osterweiterung ein zu hohes Tempo, sie gehen mir diesen Punkt zu forsch an. Sie gehen das so an, als wären Sie Vorzugsschüler auf dem politischen Parkett Europas. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Linzer. ) Wir Freiheitliche lehnen diese Vorzugsschülerrolle entschieden ab. Sachte, gemach, nicht so eilig, meine Damen und Herren! Wir kommen früh genug ans Ziel und werden die Probleme haben. Das bitte ich Sie zu beachten.

Die Probleme, die durch das vorschnelle, das forsche Herangehen entstehen, sind nicht so zu lösen, da helfen die besten Papiere nichts, die ausdrücken, daß man Übergangslösungen und so weiter vorsehen wird – wann, bis wann und welche Bedingungen und wie lange, wie Kollege Kaufmann gemeint hat.

Da sind schon eher die Bedenken des bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber zu überlegen. Dieser beklagt, daß die Vertragswerke zur europäischen Einigung so kompliziert formuliert sind, daß sich ihr tatsächlicher Inhalt nur Fachjuristen erschließe. Das trage dazu bei, sagt er, daß auch Landesregierungen nicht über Inhalte und Konsequenzen dieser Verträge im klaren sind. – Ich will das, was er weiter dazu sagt – es handelt sich nämlich um den Amsterdamer Vertrag und das Vorangegangene –, hier gar nicht mehr ausführen, weil es nicht ganz zum heutigen Thema gehört. Wir sind aber der Meinung, daß die Bemerkungen ... (Bundesrat Dr. Linzer: ..., daß er eine Neukodifikation verlangt! Da kann man sich ja anschließen!)  – Das ist aber nett, daß Sie sich anschließen wollen, aber dann sagen Sie doch heute hier, daß Sie sich beim Amsterdamer Vertrag auch nicht auskennen. Aber so zu tun, als wüßten wir alles, ist nicht richtig.

Vielleicht weiß die eine Dame, vielleicht weiß der eine Herr mehr als wir, aber dann heraus mit dem Wissen! Bitte, streuen Sie es aus. Sagen es Ministerpräsident Stoiber in Bayern. Sie haben einen Botschafter in Bonn, der kann Ihre Antwort Herrn Stoiber weitergeben, Sie können es auch mittels Pressemitteilung machen, er wird es gerne hören. Ihm fehlt der Glaube! Und daher glaube ich – weil wir beim Glauben sind –, daß auch wir das Recht haben, dieses Thema mit Vorsicht anzugehen, denn den Problembeschreibungen stehen sehr vage Lösungsansätze gegenüber. Es fehlen zielgerichtete Detailanalysen über die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen; sie gehen uns ab.

Das führt bis in den Bereich der Sicherheit dieses Staates. Die Sicherheit in Österreich wird nämlich schon jetzt auch von Angehörigen der Aufnahmekandidaten gefährdet. 12,1 Prozent der fremden tatverdächtigen Kriminellen des Jahres 1996 stammen aus Ungarn, Polen und Tschechien. Nun gehe ich schon davon aus, daß es sich dabei manchmal um Kleinigkeiten wie Taschendiebereien und so weiter handelt – so weit ist mir die Statistik nicht geläufig –, aber welche Garantie übernehmen Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, daß diese Rate, die für das Jahr 1996 bei 12,1 liegt, nicht noch stärker ansteigt, wenn wir die Grenzen total aufmachen? Denn wenn sie hereinkommen, sind sie hier, und wenn wir sie nicht einmal mehr als Fremde behandeln dürfen, bekommen wir sie nicht mehr weg! Wir haben jetzt schon Probleme.

Für uns ist es ganz interessant festzustellen, daß Michael Sika – nicht irgend jemand in dieser Republik, sondern immerhin der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit – die organisierte Kriminalität, die Korruption und die Verwahrlosung der Gesellschaft durchaus im Zusammenhang mit der Osterweiterung erkennt. Er sagt auch: Wir sind zum Glück eine Kongreßstadt fürs organisierte Verbrechen, dadurch haben wir noch ein relativ ruhiges Leben. – In Budapest ist es anders. Seien wir froh, daß das organisierte Verbrechen bei uns in Österreich gewissermaßen seine Kongresse abhält.


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