Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 21

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Präsident Ludwig Bieringer: Wir hoffen, Herr Bundesminister, Sie haben sich in Ihrem Urlaub wenigstens gut erholt.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Gstöttner: Meine Frage hat sich erübrigt!) – Diese hat sich erübrigt.

Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 880/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. – Ich bitte die Frau Bundesrätin Ilse Giesinger um Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Frage lautet:

880/M-BR/98

Wie sehen Sie die Situation, daß eine steigende Zahl von Steuergesetzen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: An und für sich muß ich das als Faktum zur Kenntnis nehmen. Ich gehe davon aus, daß die Steuergesetze, die der Begutachtung des Verfassungsgerichtshofes nicht standgehalten haben, von der Bundesregierung in der Absicht vorgelegt worden sind, daß man eine bestimmte Situation, die man als unbefriedigend erkannt hat, verändert.

Ich gebe schon zu, daß wir uns mitunter auf einem sehr schmalen Grat bewegen, was die Verfassungskonformität betrifft. Ich möchte aber in aller Deutlichkeit sagen – ich habe das auch im Nationalrat und in der Öffentlichkeit gesagt –, daß ich als Mitglied der österreichischen Bundesregierung und auf die Verfassung vereidigt Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes selbstverständlich zur Kenntnis nehme, daß ich auch danach handle und danach trachte, Korrekturen und Veränderungen am beanstandeten Gesetz vorzunehmen, sodaß eine größere Verfassungskonformität gegeben ist.

Ich nehme mir aber auch heraus – das muß jede demokratische Institution aushalten –, Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes zu kritisieren. Das lasse ich mir auch überhaupt nicht nehmen. Ich bin persönlich der Meinung, daß die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes politischer werden. Daher ist es auch legitim, darüber eine politische Diskussion zu führen.

Ich möchte in dem Zusammenhang aber auf etwas aufmerksam machen, was eine Relevanz für die Steuerreform 2000 haben kann. Denn eine Steuerreform besteht nicht nur darin, daß man Tarife senkt. Das wäre eine sehr hanebüchene Steuerreform. Das wäre eine Steuerreduzierungsmaßnahme. Steuerpolitik ist nicht nur ein Instrument, das dafür da ist, daß der Staat Einnahmen bekommt, sondern es ist auch ein Lenkungsinstrument. Wenn ich heute zur Herstellung bestimmter Manövriermassen bei einer Steuerreform versuche, so wie das auch in den Jahren 1989 und 1994 versucht worden ist, den sozialen Konsens herzustellen, die Betroffenheit von steuerlichen Maßnahmen in den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen einigermaßen verträglich zu gestalten, dann ist Steuerpolitik natürlich auch eine politische Frage.

Aber nehmen wir einmal als Beispiel die Bestimmung betreffend Rücklagen für Jubiläumsgelder her. Diese wurde durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Und ich nehme jetzt gar nicht die Familienbesteuerung als Beispiel, denn dieses Thema ist in der öffentlichen Diskussion schon derart "ausgelutscht", daß ich jetzt nicht noch etwas dazulegen möchte. Es geht bei den Rücklagen für Jubiläumsgelder um einen wesentlich kleineren Betrag, aber es ist ein schönes Beispiel.

Die österreichische Bundesregierung hat im Jahr 1994 eine Steuerreform gemacht. Bei dieser Steuerreform kam es zur Streichung der Vermögenssteuer. Es kam zur Streichung der Gewerbeertragssteuer, und es gab eine Reihe von steuerlichen Maßnahmen, die aus der Sicht der


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