Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 38

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Europäischen Union die Möglichkeit geben, Kulturgüter, die widerrechtlich in ein anderes EU-Land verbracht wurden, zurückzufordern. Voraussetzung ist, daß dieses Kulturgut im geschädigten Staat als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert eingestuft wurde, wobei allerdings nur solches nationales Kulturgut in Frage kommt, welches auf der Liste des Anhanges der Richtlinie aufscheint.

Ich meine, der vorliegende Entwurf ist ein sehr verantwortungsvoller Schritt, ein Schritt, der auch mit Augenmaß umgesetzt wurde. Meine Fraktion und ich teilen nicht die Einschätzung, daß die Übernahme dieser EU-Richtlinie österreichisches Zivilrecht grundsätzlich in Frage stellt, auch wenn es natürlich da und dort Adaptionen wird geben müssen, denn Kulturschutz greift, wie beispielsweise auch Denkmalschutz, auch in Eigentumsrechte ein. Das ist völlig unbestritten. Für diese Eingriffe müssen meines Erachtens klare Regeln aufgestellt werden, und es muß ein übergeordnetes – zum Beispiel nationales – Interesse erkennbar sein.

Diese Kriterien sind meiner Meinung nach in dem vorliegenden Entwurf erfüllt. Deshalb wird die sozialdemokratische Fraktion gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

10.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

10.46

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte, liebe Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Kulturbericht 1996 übermittelt uns das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten einen lebendigen und anschaulichen Bericht über die Aktivitäten der ihm unterstehenden Institutionen.

Diese sind: die Bundesmuseen, das Bundesdenkmalamt, die Österreichische Nationalbibliothek, die Österreichische Phonothek und die Hofmusikkapelle. Ihre Aufgaben umfassen insbesondere das Sammeln durch planmäßigen Ausbau bereits bestehender Sammlungen, das Bewahren durch Prüfung vorhandener Objekte, durch Restaurierung und Sicherung und schließlich die wissenschaftliche Bearbeitung der vorhandenen Objekte, deren Bestimmung und Katalogisierung durch Forschungsarbeit sowie deren Präsentation gegenüber dem Publikum durch Ausstellungen und andere Veranstaltungen. – Etliches davon ist ja heute hier schon von Vorrednern erwähnt worden.

Der Bericht vermittelt uns zugleich einen weiteren, meines Erachtens entscheidenden Eindruck, nämlich den, daß sich alle diese Institutionen in ihren ursprünglichen Zielsetzungen, die von der Idee der öffentlichen, systematisch geordneten Bildungsarbeit getragen sind, nicht erschöpfen dürfen, sondern vor der neuen und zusätzlichen Aufgabe stehen, aktuelle Bezüge zur Gegenwart herzustellen und durch Sonderausstellungen, audiovisuelle Medien, Führungen, Diskussionen, Seminare und Kurse Querverbindungen zwischen ihren Beständen und den Strukturveränderungen und Entwicklungstrends der heutigen Zeit aufzuzeigen.

Das Museum herkömmlicher Prägung hat geschichtliche Erfahrung zum Ziel. Neuere Museumskonzepte zielen hingegen auf unmittelbares Erleben und Erlebnishaftigkeit ab. Einerseits soll das kulturelle Erbe und ein Reflexionsanspruch gegenüber der Kultur und ihrer Geschichte bewahrt werden, andererseits gilt es aber auch, einen legitimen Unterhaltungsanspruch durch das Erleben – Edutainment – zu befriedigen. So leisten diese Institutionen darüber hinaus auch einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz künstlerischer und anderer geistiger Leistungen, die über die konformistische Vergangenheit hinausgehen.

Dabei ist stets zu bedenken, daß es keine Gegenwart und Zukunft ohne Vergangenheit geben kann und daß wir die Vergangenheit anders als aus dem Bezug zur Gegenwart nicht erfahren können. Wien und Österreich waren immer Zentren Mitteleuropas.


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