Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 40

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bewaffneten Konflikten. Sie verbietet ausdrücklich die Zurückhaltung solcher Kulturgüter für Reparationszwecke. Aber der Kunstraub und die unrechtmäßige, hoheitsmäßige Verbringung von Kulturgütern hat in Europa schon historische Tradition. Seit Ende des dritten Jahrhunderts vor Christi plünderten – oder ließen plündern – römische Feldherren in Süditalien, in Griechenland und im hellenistischen Orient. Kunstgüter galten als Machtsymbol des militärischen Erfolgs und der politischen Herrschaft.

Das gute oder vielmehr schlechte Beispiel wurde 1204 anläßlich des vierten Kreuzzuges, geleitet vom venezianischen Dogen Enrico Dandolo, fortgesetzt. Er plünderte Byzanz rücksichtslos und umfassend aus. Und auch in der Renaissance gehörte es zum guten Stil vornehmer Häuser, sich mittels Kriegshelden des illegalen Handels oder des indirekten Raubes an Kunstgütern zu bedienen, um so ihre Paläste ausgestalten zu können.

Im letzten beziehungsweise Ende des vorletzten Jahrhunderts war General Napoleon einer derjenigen, der eigentlich dazu Anlaß gibt, dieses Gesetz, welches Sie heute hier beschließen wollen, besonders zu beachten. Er plünderte den Kirchenstaat nachhaltig, ließ sich das aber im nachhinein durch einen Vertrag, nämlich den von Tolentino, 1792 legalisieren. Anschließend, 1802, machte sich Pius VII. an die Rekonstruierung seiner Sammlungen, und er erließ als nachweislich erstes Staatsoberhaupt ein Ausfuhrverbot für Kunst und die Anzeigepflicht des Besitzes der Kunst. Dies könnte man eigentlich als Vorbild des heutigen Gesetzgebungswerkes bezeichnen.

Betrüblich ist, daß hier in Österreich österreichische Staatsbürger, welche während der Kriegszeit Österreich verlassen mußten, welche vertrieben wurden, noch oft um die Rückgabe ihrer Kulturgüter kämpfen müssen. Es sind nicht wenige. Es sind nicht nur jene, die vertrieben wurden, es wurden auch österreichische respektive deutsche Staatsbürger nach dem Krieg um ihren Besitz gebracht; vielfach, meint man, unbekannten Aufenthaltes, unbekannten Lagerortes. Die Vermutung geht dahin, daß manches Ministerium sich mit dem einen oder anderen schönen Schreibtisch, mit einer Vielzahl von Bildern und Gemälden schmückt, daß das eine oder andere Museum herkunftsmäßig nicht ganz klar deklarierbare Kulturgüter in seinem Besitzstand hat.

Ich meine daher, dieses Gesetz, welches Sie heute hier beschließen wollen, muß Anlaß geben, auch innerösterreichisch einmal die Klarheit herzustellen, die die nach dem Krieg besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen verdienen, denen eigentlich anläßlich der Wiedererrichtung der Republik gute Sitte und guter Anstand prophezeit und versprochen wurden. Diese gute Sitte und dieser Anstand werden gegenüber diesen Österreichern nicht eingehalten. Es wird in die Abwesenheit, in das Nichtauffinden dieser Kunstschätze noch immer etwas hineingeheimnißt, was nicht notwendig ist.

Was uns aber unter anderem zur Ablehnung dieses Gesetzes nötigt, ist, daß es ein rückwirkendes Gesetz ist. Es bezieht sich auf eine EWG-Vorgabe aus dem Jahr 1992, welche eben eine Rückgabe bis 31. Dezember 1992 vorsieht. Warum bis zu dem Zeitpunkt? Warum lehnt man dieses Gesetz nicht ab? – Das geht nicht. Warum macht man es nicht ab dem Zeitpunkt des Gesetzes, wie wir es hier in Österreich üblicherweise haben? – Das ist der eine Punkt, warum wir es ablehnen.

Der zweite Punkt betrifft § 11 Abs. 2. Er unterscheidet zwischen privatem und öffentlichem Kulturgut. Wir haben von den Vorrednern gehört, daß Österreich viel Kulturgut hat, und wir alle wissen, daß dieses Kulturgut sicherlich zum Großteil in öffentlichen Sammlungen ist. Aber nicht minder befindet sich dieses Kulturgut auch in privaten Sammlungen, in privaten Haushalten, und es ist nicht einzusehen, warum die Verjährung bei privatem Kulturgut kraft dieses Gesetzes 30 Jahre betragen darf und soll, aber bei öffentlichen 75 Jahre, Frau Bundesministerin! Wie kommt man dazu, einer Privatperson die Möglichkeiten der öffentlichen Hand, die ohnedies die bessere Position hat, ihren Rechtsanspruch darzustellen und international zu dokumentieren, nicht zu bieten? Sollte nicht die Republik auch den Schutz über die privaten Kultur- und Kunstsammlungen übernehmen, sodaß diese auch nach 30 Jahren noch zurückgeholt werden können, und nicht nur die öffentlichen Kunstsammlungen? – Dies zu diesem Bericht.


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