Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 53

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Prozeß der Industrialisierung der Landwirtschaft erreichen, wird sich aber im Endeffekt den Mehrheitsentscheidungen der EU beugen müssen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Schweizer müssen das nicht tun.

Das österreichische Importverbot für Genmais zeigt deutlich, wie stark die österreichischen Möglichkeiten eingeschränkt worden sind. Um das Importverbot aufrechtzuerhalten, müßten wir in der nächsten Sitzung des Rates der Umweltminister dessen einstimmige Entscheidung gegen den Vorschlag der Kommission erwirken. Das aber ist unmöglich. Daher sollte die Regierung den Österreichern nicht durch geschickt aufgebaute Schaukämpfe – wie im Fall des Genmais-Verbotes – den falschen Eindruck vermitteln, daß sie damit etwas bewirken könnte. Der Zug in Richtung industrielle Landwirtschaft ist längst abgefahren. Die Diskussion, die wir hier im Bundesrat und insgesamt im Parlament führen, kann nichts bewirken, da über diese Thematik auf Ebene der EU entschieden wird beziehungsweise längst entschieden wurde. Die Regierung sollte dies den Österreichern endlich einmal ehrlich sagen und nicht durch Scheindebatten einen falschen Eindruck vermitteln.

Was die Lebensmittel betrifft, kann den Österreichern auch klar gesagt werden, daß bei vielen Produkten beziehungsweise Hilfsstoffen die Gentechnologie schon Einzug gehalten hat. Das sehe ich nicht unbedingt negativ, da die Gentechnik in diesem Bereich – ähnlich wie in der Medizin – auch viele Vorteile aufzuweisen hat. Die meisten Enzympräparate, die heute mit gentechnischen Methoden hergestellt werden, sind längst auf dem Markt eingeführt. Zum Beispiel wird das Enzym Chymosin zur Dicklegung der Milch bei der Käseherstellung eingesetzt. Dieses gentechnisch erzeugte Enzym hat zugegebenermaßen viele Vorteile gegenüber dem aus Kälbermägen erzeugten Labferment. In England bewirbt eine Handelskette einen Cheddar-Käse mit der Aussage, daß er mit Hilfe der Gentechnik hergestellt und deshalb frei von tierischem Labferment sei. Der Hintergrund dieser Werbung ist selbstverständlich der BSE-Skandal in England, bei dessen Verlauf sich gezeigt hat, welche Gefahren die industrielle Landwirtschaft birgt.

In der Medizin sind die vielen positiven Aspekte der Gentechnologie unbestritten, wenngleich auch in diesem Bereich die Grenzen völlig klar aufgezeigt werden müssen. Viele Vitamine, die auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden, werden heute mit gentechnischen Methoden erfolgreich hergestellt. Die Gentechnik ist in der Medizin allgegenwärtig. Deshalb sehe ich bei der Lebensmittelproduktion kein Problem, wenn zum Beispiel gentechnisch erzeugte Enzyme als Hilfsstoffe verwendet werden, da wir uns andererseits mit gentechnisch erzeugten Impfstoffen impfen lassen.

Es soll nur nicht dem Konsumenten der Eindruck vermittelt werden, als könne er ein Leben führen, ohne mit der Gentechnologie in Berührung zu kommen.

Die österreichische Kodexkommission hat in ihrer Plenarsitzung vom 15. April 1998 die Definition der Gentechnikfreiheit beschlossen. Gentechnikfreiheit bedeutet demnach, daß Gentechnik bei der Herstellung der Produkte praktisch keine Rolle gespielt haben darf. Diese gentechnikfreien Produkte werden – ähnlich wie die Bio-Produkte – reine Nischenprodukte sein und können für die Versorgung der Gesamtbevölkerung mit Lebensmitteln keine bedeutende Rolle spielen. Dies sollte den Österreichern auch von seiten der Regierung gesagt werden. Wir werden unseren Markt auch nie gegen gentechnisch veränderte und mit Hilfe der Gentechnik erzeugte Produkte abschotten können, denn dazu müßten wir aus der EU austreten.

Ich möchte nochmals zusammenfassend sagen, daß die Gentechnik viele positive Potentiale und Einsatzgebiete hat, daß gerade in der Landwirtschaft die Gefahr der Einseitigkeit und der zu intensiven Nutzung besteht und daß in der EU leider die Befürworter der industriellen Landwirtschaft die Mehrheit verkörpern. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wichtig wäre die EU-weite Erarbeitung von Leitvorstellungen, denen die Gentechnologie dienen soll. Hier könnte Österreich die Rolle einer treibenden Kraft spielen, die ich bisher aber vermisse. Wenn die Gentechnik dann in diesen Grenzen eingesetzt wird, ist es sicherlich positiv. Österreich müßte darauf drängen, daß die EU-weite Definition der Grenzen schleunigst erfolgt, anstatt in Österreich Scheindebatten zu führen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite