Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 52

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Oft wird zugunsten der Gentechnologie argumentiert, daß auch in der Natur – im Zuge der Evolution – Gentechnik zur Anwendung kommt, daß Änderungen der Genkonstellationen durch konventionelle Züchtung sehr kostspielig und langwierig sind und daß die Methoden der konventionellen Züchtung durch Chemikalien und Bestrahlung wesentlich brutaler als die Gentechnologie sind.

Dem steht allerdings gegenüber, daß bisher jeder Nachweis dafür fehlt, daß die Gentechnologie besonders in der Landwirtschaft ökologisch unbedenklich, wirtschaftlich nachhaltig und sozialethisch verantwortbar ist. Der Nachhaltigkeit wird – international gesehen – viel zuwenig Bedeutung zugemessen, sonst würden wir heute nicht vornehmlich auf fossile Energieträger und Rohstoffe setzen, sondern alle Möglichkeiten der Nutzung nachwachsender, organischer Rohstoffe ausbauen und vorantreiben. Eine nachhaltige Landwirtschaft erfordert hohe Biodiversität, damit sie ein Maximum an natürlichen Synergismen nutzen und einen hohen Grad an Stabilität des Ökosystems aufrechterhalten kann.

Was derzeit an gentechnisch veränderten Pflanzen angeboten wird, läuft diesem Leitbild allerdings diametral entgegen. Es handelt sich vor allem um herbizidresistente Pflanzen, die auf die industrielle Landbewirtschaftung zugeschnitten sind. Diese Art der Landnutzung – die industrielle Landnutzung – überträgt industrielle Erfolgsstrategien auf den der Natur nächsten Bereich und kommt dadurch mit den Grundanforderungen der Ökologie in Konflikt. Lean production und die Ausschaltung aller externen Störfaktoren sind in der Industrie sinnvoll und notwendig, führen jedoch in der Landwirtschaft zu reduzierter Biodiversität und damit zur Erosion der genetischen Basis sowie zu geringerer Stabilität unseres Ökosystems. Daher ist die industrielle Landwirtschaft nicht jene Art der Landbewirtschaftung, die wir als zukunftsträchtig ansehen. Die Erhaltung der Biodiversität im Boden, in Flora und Fauna sowie in der Landschaft sollte Vorrang haben, da vielfältige genetische Information unser Zukunftspotential darstellt.

Ein weiterer negativer Aspekt der Gentechnik besteht darin, daß die exakte Positionierung der Transgene nicht möglich ist. Dadurch ist der Einbau der Gene nicht exakt kontrollierbar.

Andererseits kann die Gentechnik für das Design von Abwehrstrategien für Mensch, Tier und Pflanze gegen attackierende Schadstofforganismen oder gegen schädliche Umwelteinflüsse eingesetzt werden. Eine Erhöhung der Weltproduktion an Lebensmitteln und damit eine Verringerung des Hungerproblems kann durch die Gentechnologie ebenfalls erreicht werden. Schwer abbaubare Agrochemikalien könnten eingespart werden.

Es besteht jedoch die Gefahr, daß das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und die Möglichkeiten der Gentechnologie in der Landwirtschaft zu intensiv genutzt werden. Die intensive industrielle Landwirtschaft hat neben den bereits geschilderten negativen Aspekten weiters zur Folge, daß die Landwirte beim Saatgutkauf von multinationalen Konzernen, die über die Patentrechte für Gene beziehungsweise Genkonstellationen verfügen, abhängig gemacht werden.

Die Vorteile von Herbizid- oder Insektenresistenz könnten – insbesondere bei unsachgemäßer Handhabung – nur von kurzer Dauer sein, weil Unkraut und Insekten gegen Bekämpfungsmittel resistent werden. Weiters muß beachtet werden, daß auch herbizidresistente Pflanzen Giftstoffe aufnehmen, die sich später in den Lebensmitteln wiederfinden.

Trotz dieser vielen negativen Aspekte sehe ich die Gentechnologie als eine Zukunftstechnologie, mit der vorsichtig und verantwortungsbewußt umgegangen werden muß. Einen solchen verantwortungsbewußten Umgang mit der Landwirtschaft und der Gentechnologie kann ich in der EU derzeit allerdings nicht erkennen. Insbesondere bei Betrachtung des Inhalts der Agenda 2000 sieht man, daß sich die Landwirtschaftspolitik der EU voll und ganz in Richtung intensiver industrieller Landnutzung bewegt.

Leider hat Österreich nur einen sehr eingeschränkten Gestaltungsspielraum. Durch den EU-Beitritt haben wir nicht nur zum Euro, sondern auch zur industriellen Landwirtschaft ja gesagt, das aber wurde im Zuge der unsachlichen, rein positiv gefärbten Beitrittsdebatte von Anfang bis Mitte der neunziger Jahre verschwiegen. Da in einem Wirtschaftsraum ohne Grenzen keine Handelshemmnisse aufgebaut werden dürfen, kann Österreich bestenfalls eine Verzögerung im


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