Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 70

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zeichnenden Haftungsregelungen europaweit jedem Vergleich standhalten, daß sie insbesondere auch über das deutsche Gentechnikgesetz hinausgehen. Die vorgesehene Gefährdungshaftung ist – um es zusammenzufassen – verschuldensunabhängig, der Höhe nach unbegrenzt, erfaßt nicht nur den Störfall, sondern auch den Normalbetrieb, umfaßt nicht nur traditionelle Personen- und Sachschäden, sondern auch Umweltbeeinträchtigungen – im zivilrechtlichen Bereich allerdings nur insoweit, als diese Umweltschäden zugleich einen Sachschaden an der betreffenden Liegenschaft darstellen. Die betroffenen Eigentümer werden die Kosten der Sanierung einer Umweltbeeinträchtigung selbst dann ersetzt erhalten, wenn diese den Wert der Liegenschaft übersteigen. Daß diese Kosten auch vorschußweise geltend gemacht werden können, möchte ich hervorheben, ebenso, daß die Gelder nur widmungsgemäß verwendet werden können, es daher nicht im Belieben des Geschädigten liegt, was er mit einem Ersatzbetrag macht, sondern zum Schutze der Umwelt ein solcher Ersatzbeitrag zur Wiederherstellung des früheren Zustandes zu verwenden ist.

Daß über sogenannte reine Ökoschäden nicht durch die Gerichte geurteilt werden soll, hat durchaus auch gute Gründe, die im Begutachtungsverfahren vor allem von der Lehre geltend gemacht wurden, aber auch den Vorteil, daß die hinsichtlich der Sanierung zuständige Verwaltungsbehörde in aller Regel in fachlich-sachlicher Hinsicht besser geeignet ist. Das hat schließlich auch den Vorteil, daß das im Zivilprozeß für den Geschädigten gegebene Kostenrisiko wegfällt. – Ich gehe jedenfalls davon aus, daß die Behörde den ihr durch dieses Gesetz gegebenen Auftrag erfüllen wird.

Daß im Gesetz – entgegen unserem Entwurf – vom "entgangenen Gewinn" nicht mehr gesprochen wird, ist richtig, aber gerade Ihre Argumentation, Herr Professor Böhm, kann man auch umkehren: Sie weisen darauf hin, daß schon heute in der Rechtsprechung im Bereiche der Gefährdungshaftung – ohne daß das in den betroffenen Gesetzen vorgesehen ist – die Tatsache eines entgangenen Gewinnes Berücksichtigung findet, daß das im Wege der sehr weiten Auslegung des positiven Schadens vergütet wird. Dazu kann ich nur sagen: Warum soll es die Rechtsprechung nicht in diesem Fall auch tun? – Im Gegenteil, man gefährdet diese weitgehende Rechtsprechung in anderen Bereichen, wenn jetzt plötzlich der Gesetzgeber sagt: Wenn ein entgangener Gewinn vergütet werden soll, dann muß man es ausdrücklich sagen. – Vielleicht könnten da Rückschlüsse auf die übrigen Gefährdungshaftungsbereiche gezogen werden.

Ich meine überhaupt, daß die Frage des entgangenen Gewinnes im Hinblick auf die Rechtsprechung etwas überschätzt wird. Ich bin der Ansicht, daß dieser Punkt nicht allzu große praktische Bedeutung hat.

Die Anspruchsgeltendmachung wird durch die vorgesehenen Beweiserleichterungen, die dem Betroffenen viel weiter entgegenkommen, vor allem in der Kausalitätsvermutung, als das beim deutschen Gentechnikgesetz der Fall ist, und durch die Auskunftspflicht des Betreibers erleichtert. Damit wird in besonderem Maße dem gerade im Bereich der Gentechnik virulenten kompensatorischen Rechtsschutzbedürfnis des Geschädigten Rechnung getragen.

Schließlich wird durch die Verpflichtung zur Deckungsvorsorge die Chance der Geschädigten, auch tatsächlich Ersatz zu erhalten, sichergestellt. Wenn für bestimmte Tätigkeiten eine – auch Genehmigungsvoraussetzung darstellende – Mindesthaftpflichtversicherung gefordert wird, so heißt das nicht, daß im übrigen keine Deckungsvorsorge stattzufinden hat. Das wird auch gravierende haftungsrechtliche Folgen für die diese Deckungsvorsorge allenfalls unterlassenden Akteure nach sich ziehen.

Meine Damen und Herren! Auch uns ist natürlich bewußt, daß die besonderen Haftpflichtbestimmungen des Gentechnikgesetzes, die sich nur auf die Arbeiten mit und die Freisetzung von GVOs beziehen, unvollständig sind. Wir haben bereits im Begutachtungsentwurf darauf hingewiesen, daß sich das Risikopotential der Gentechnik im nachfolgenden Inverkehrbringen gentechnisch hergestellter oder veränderter Produkte fortsetzt und daß daher den spezifischen Bedürfnissen der Bevölkerung – vor allem in diesem Bereich – durch entsprechende haftungs


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