regierung – wie mit dem vorliegenden Anlaßverfassungsgesetz – nötigt. Einem solch respektlosen Umgang mit unserer politischen Grundordnung versagt meine Fraktion ihre Unterstützung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Leider vermag ich meine Bedenken gegen das vorliegende Bundesverfassungsgesetz damit noch keineswegs zu beschließen. Da sich das Parlament und ihre die Regierung tragende Mehrheit zu einer klaren verfassungsgesetzlichen Festlegung von Integrationsschranken nicht durchringen konnte, fehlt jeder verbindliche Maßstab dafür, wann grundlegende Integrationsschritte der EU eine solche neue Qualität erreichen, daß – gemessen am Stand des Vertrages von Maastricht – eine weitere Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung anzunehmen ist. Da eine solche zwingend eine weitere Volksabstimmung erfordert, handelt es sich dabei keineswegs um eine rein akademische, verfassungsdogmatische Frage. Gerade der mit Hilfe des vorliegenden Verfassungsgesetzes zu ratifizierende Vertrag von Amsterdam enthält nun zweifellos Weiterentwicklungen des Vertrages von Maastricht, die aus der Perspektive des österreichischen Verfassungsrechts eine solch grundlegende Umgestaltung zumindest nahelegen.
Ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit erwähne ich hiezu die Ausdehnung der Entscheidung durch qualifizierte Mehrheit etwa auf die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Sonderregelungen für Ausländer und für die Aufstellung, Anpassung und Ergänzung des Forschungsrahmenprogramms. Zudem werden auch zahlreiche neu in den Vertrag als Gemeinschaftskompetenz aufgenommene Sachbereiche dem Mehrheitsprinzip unterstellt, zum Beispiel Beschäftigungsleitlinien und Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung, aber auch öffentliche Gesundheit und Gebiete in Randlage.
Ferner sieht der neue Vertrag eine erhebliche Ausweitung der Zuständigkeiten des Europäischen Gerichtshofes vor. Insbesondere wird sich seine Jurisdiktion künftig auch ausdrücklich auf den Grundrechtsschutz erstrecken.
All das soll lediglich deutlich machen, daß in diesem Rahmen nationalstaatliche Kompetenzen abgegeben werden, die von den zuständigen EU-Organen, vor allem im Bereich der Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip, in einer vom demokratischen, vom rechtsstaatlich-gewaltenteilenden und vom bundesstaatlichen Prinzip im Sinne unserer Bundesverfassung abweichenden Weise ausgeübt werden.
Insofern drängt sich ernsthaft die bereits angedeutete Frage auf, ob diese Weiterentwicklung der Europäischen Integration durch den Vertrag von Amsterdam nicht eine Intensitätsstufe erreicht, die innerstaatlich als zweite Gesamtänderung der Bundesverfassung zu bewerten ist, weil sie den Kernbestand unserer Grundprinzipien erneut modifiziert und damit die immanenten Integrationsschranken überschreitet.
Für eine derartige Sicht der durch eine Ratifikation des Vertrages von Amsterdam geschaffenen neuen Rechts- und Verfassungslage sprechen meines Erachtens auch die zahlreichen in ihm enthaltenen dynamischen Zielbestimmungen. Ich meine damit Artikel, die – wenngleich oft in sehr allgemein gehaltener Textierung – Zielvorgaben formulieren, die – sofern sie jemals realpolitisch mit Leben erfüllt werden – sehr einschneidend in die nationale Gesetzgebung eingreifen könnten. Erlauben Sie mir dafür ein Beispiel, das mir fachlich besonders vertraut ist.
Unter dem Titel IV: Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr heißt es im Artikel 61, daß der Rat zum schrittweisen Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts neben den im Titel angesprochenen Maßnahmen gemäß lit. d auch Maßnahmen im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Artikel 65 erläßt. – Das klingt so harmlos wie sympathisch. Was aber verbirgt sich darin?
Im genannten Artikel 65 werden darunter nicht etwa bloß dringend nötige Maßnahmen zur Verbesserung und Vereinfachung der grenzüberschreitenden Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, der internationalen Rechtshilfe im Beweisverfahren und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten verstanden – nein, lit. c handelt darüber hinaus von der
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