Bundesrat Stenographisches Protokoll 641. Sitzung / Seite 63

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Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung des Zivilverfahrens, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften.

Wer wollte dagegen sein? – Wohl nur dem Insider wird freilich dabei bewußt, daß diese äußerst weiche und schwammige Formulierung potentiell eine Gemeinschaftskompetenz dafür eröffnet, das gesamte zivilgerichtliche Verfahrensrecht – bislang eine geradezu klassische nationalstaatliche Materie! – einer auf diesem Gebiet aus unserer Sicht höchst problematischen Einheitsregelung zuzuführen. Ich sehe darin ein signifikantes Beispiel – eines von vielen – für die zunehmende verdeckte Aushöhlung der Gesetzgebung der Vertragsstaaten, die durch die generalklauselhaften Artikel des EU-Vertrages und die Blankoermächtigung der Bundesregierung zu seiner Ratifizierung substantiell am Parlament vorbei und ihm im Zweifel hinkünftig entzogen herbeigeführt werden soll und wird.

Aber vielleicht überzeugt oder beunruhigt Sie das Beispiel der staatlichen Zivilgerichtsbarkeit nicht ausreichend. Wie steht es jedoch um die gewiß auch Sie, meine Damen und Herren, bewegende Frage der österreichischen Landesverteidigung und Wehrhoheit? – Der Vertrag von Amsterdam verhält Österreich in vertiefter Form dazu, an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU aufgrund des Titels V mitzuwirken. Da diese Politik auch Beschlüsse deckt, die über friedenserhaltende Aufgaben hinausgehen und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen umfassen, besteht nach meiner Rechtsauffassung nicht der geringste Zweifel daran, daß unsere Teilnahme daran mit dem bisher offiziell beibehaltenen Status der Neutralität völlig unvereinbar ist.

Das gilt umso mehr, bedenkt man die im Artikel 17 festgeschriebene Zielsetzung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die – ich zitiere – zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte. – Damit ist die Möglichkeit einer Integration der WEU in die EU angesprochen. Für den Fall, daß der Europäische Rat sie beschließt, ist das so geschaffene Primärrecht für Österreich verbindlich! Daran ändert die Verbrämung nichts, daß den Vertragsstaaten die Annahme eines derartigen Rechtsaktes gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen wird. Sie wäre bloß formaler Nachvollzug und wahrte nur den Schein nationaler Verfassungsautonomie.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, heute diesem Bundesverfassungsgesetz und damit der Ratifikation des Vertrages von Amsterdam zustimmen, so muß Ihnen dabei bewußt sein, daß Sie sich dadurch von der verfassungsgesetzlich verankerten Neutralität endgültig verabschieden. Wollen Sie das nicht, meine Damen und Herren von der SPÖ, so können Sie dieser Vorlage nicht zustimmen. Wollen Sie es aber, meine Damen und Herren von der ÖVP, dann sollten Sie so ehrlich sein, das auch offenzulegen und klar zu sagen, ob Sie bereit sind, diese grundlegende Änderung der regierungsamtlichen Sicherheitspolitik – soweit es eine solche überhaupt gibt – einer Volksabstimmung zu unterziehen oder nicht.

Aus all diesen Gründen, nicht zuletzt aufgrund der schleichenden Gesamtänderung unserer ohnehin bereits durch den EU-Beitritt selbst erheblich modifizierten Verfassung versagt meine Fraktion dieser bedenklichen Vorlage ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Albrecht Kone#ny das Wort. – Bitte.

12.36

Bundesrat Albrecht Kone#ny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In Zeiten wie diesen kann einen die FPÖ immer wieder verblüffen – mit der Rednerabfolge beginnend: Kollegin Riess hat offensichtlich etwas Wichtigeres zu tun, als uns hier Ihre Ansicht mitzuteilen; was es ist, werden wir wahrscheinlich heute abend in den Nachrichten erfahren, aber da gibt es eben eine gewisse Dynamik.

Auch Herr Professor Böhm hat mich ein wenig verblüfft – nicht in der Argumentationskette, die auch im Nationalrat so war, in dem der von ihm zitierte Herr Brauneder im wesentlichen


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