Bundesrat Stenographisches Protokoll 641. Sitzung / Seite 70

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das Mandat von Turin. Die Vorbereitung der Erweiterung ist nicht gelungen. Die Schlußfolgerung, daß man dennoch zu einer Erweiterung schreiten könne, entbehrt einer realen Grundlage."

Selbst der Präsident des Europäischen Parlaments, Gil Robles, hat festgestellt: "Man hat die Probleme zum Teil wieder verschoben. Man soll die Ohnmacht einer Konferenz nicht damit kaschieren, daß man die nächste ankündigt." – Herr Kollege Kaufmann, das sei auch an Ihre Adresse gesagt.

Dieser Vertrag, der heute hier abgesegnet werden soll, hat die Grenze der Überschaubarkeit längst überschritten. Man hat zu faulen Kompromissen Zuflucht genommen, weil man sich in eine politische Sackgasse hineinmanövriert hat. Ziel der Regierungskonferenz ist es irgendwann einmal gewesen, ein Europa der Bürger zu schaffen. Für die Regierungskonferenz und den Gipfel in Amsterdam waren die Bürger letztendlich jedoch nur Störfaktoren.

Das groß angekündigte Jahrhundertprojekt schrumpfte in Amsterdam zu einem mühsam zusammengebastelten Kompromiß oder, wie es Frau Abgeordnete Stenzel, die Ihnen sicher bekannt ist, formuliert hat: Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen.

Das Europa von Amsterdam ist trüber, undemokratischer, unvorhersehbarer und weniger transparent. Nicht das Europa der Bürger hat in Amsterdam triumphiert, sondern das Europa der Doppelzüngigkeit, der Mißverständnisse, der Verzögerung und der ungeklärten Fragen. Der Vertrag von Amsterdam ist weit hinter den Herausforderungen zurückgeblieben, mit denen die 15 EU-Regierungen ans Werk gegangen sind. Die zweieinhalb Jahre, die die Ausarbeitung des Vertrages beanspruchte, sind verloren. Damit, meine Damen und Herren, wurde der Glaubwürdigkeit Europas ein Bärendienst erwiesen, und deshalb wird die freiheitliche Fraktion dieser heutigen Beschlußfassung auch nicht ihre Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Erhard Meier das Wort. – Bitte.

13.12

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Seit den Römer Verträgen im Jahre 1957, als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG aus sechs Mitgliedsstaaten gegründet wurde, setzt sich die europäische Integration in einigen markanten Daten und Änderungen der Verträge fort. Aus der jüngsten Zeit sind besonders zwei Vertragserweiterungen von Bedeutung, nämlich der Vertrag von Maastricht, der am 7. Feber 1992 unterzeichnet wurde, und nun der Vertrag von Amsterdam, der das Ergebnis der Regierungskonferenz 1996/97 bildet.

Es steht außer Zweifel, daß sich die Europäische Union weiterentwickeln muß, und zwar in inhaltlicher Form, in einer ständigen Diskussion zwischen den Bürgern, den Staaten und der EU, die eine Erweiterung der EU und dabei die Wirkungsweise der Organe der EU auch in Zukunft ihrem Auftrag entsprechend ermöglicht, wobei die Mitsprache der Bürger und Bürgerinnen als Basis der EU und deren Information zu einem besseren Verständnis der Entwicklungen besonders wichtig ist.

Die Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam durch die Mitgliedstaaten – in Dänemark ist dies vor zwei Wochen durch ein Referendum eindrucksvoll geschehen – und die Debatte darüber wirft natürlich immer wieder die grundsätzliche Frage über die Weiterentwicklung der europäischen Einigung auf. Obwohl die Europäische Union noch immer ein Gebilde zwischen der Form eines Staatenbundes und eines Bundesstaates ist, glaube ich, daß der Weg des vereinten Europa weitergegangen werden muß und eine Umkehr eigentlich ausgeschlossen ist. Dies wird sicherlich dazu führen, daß die derzeit bestehenden Verträge und Akte eines Tages in eine europäische Verfassung münden müssen. Natürlich wird dies noch einige Zeit dauern, da die derzeit bestehenden drei Säulen Europäische Gemeinschaft, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz noch weiterhin bestehen. Der Vertrag von Amsterdam beinhaltet aber auch, daß immer mehr Agenden, zum Beispiel auch aus den Bereichen Inneres und Justiz, in die erste Säule, welche die tragende Säule der EU ist,


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