Meine Damen und Herren! Kein Geringerer als der Vorsitzende der derzeitigen Bundesregierung hat am 23. Mai 1997 in einer Aussendung angekündigt – ich zitiere wörtlich –: Jeder Lehrstellensuchende soll eine Lehrstelle bekommen. In einer von der Bildungsorganisation der SPÖ gemeinsam mit dem Renner-Institut durchgeführten Veranstaltung diskutierten Klima, SPD-Vorsitzender Ministerpräsident Oskar Lafontaine in Wien zum Thema "Sozialdemokratie im Aufbruch". Es werde dafür gesorgt, so der Bundeskanzler in der Diskussion, daß im Herbst kein Lehrstellensuchender ohne Lehrstelle bleibt. – Daher, meine Damen und Herren, kam eingangs von mir die Feststellung, daß die Aussagen mit der Realität, mit den Tatsachen nicht übereinstimmen, sondern falsch sind. Diese Aussage unterscheidet sich auch vom vorliegenden Bericht.
Meine Damen und Herren! Der Herbstbeginn 1997 – dieser Zeitpunkt ist in der Aussage eben genannt worden; ich wäre sogar noch bereit, darüber zu diskutieren, bis wann das sein könnte, obwohl laut Kalender feststeht, wann Herbstbeginn ist – ist längst vorbei, und wir kennen die Zahlen der Lehrplatzsuchenden, der Ausbildungsplatzsuchenden. Im November 1997 waren das immerhin noch rund 5 000!
Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, daß nur angekündigt wird und es dann, wenn die Situation eintritt, daß sich die Betroffenen auf diese Aussage berufen, jenen, die die Aussagen treffen, völlig egal ist, was mit diesen 5 000 Lehrplatz- oder Ausbildungsstellensuchenden passiert.
Diese Ansage ist also nicht nur inhaltlich falsch, sondern sie gibt uns auch das Gefühl, daß dem Bundeskanzler und der Regierung die Situation der Lehrplatzsuchenden völlig egal ist. Nur Hoffnungen zu wecken in dem Bewußtsein, daß diese Hoffnungen nicht erfüllt werden können, ist nicht nur grob fahrlässig, sondern das ist, wie ich meine, eine bewußte Täuschung! Eine solche bewußte Täuschung, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht unterstützen!
Meine Damen und Herren! Natürlich spielt die starre Trennung im Bildungssystem auch eine Rolle. Dies ist aber bekannt und verstärkt daher auch den Vorwurf der bewußten Täuschung. Zuerst bekommen die Schulabgänger keinen Platz in den sogenannten Fachschulen, dann werden sie als Lehrlinge im Rahmen der Ausbildungsbedingungen nicht akzeptiert. Daher sind die Betroffenen in diesem Bildungsbereich zweimal Opfer des Systems!
Da ich die Ausbildung angesprochen habe, ergibt sich die Frage, Herr Wirtschaftsminister: Wo ist Ihre Technologieoffensive steckengeblieben? Ist die angekündigte Technologieoffensive Opfer eines Kompetenzstreites zwischen Wissenschaft und Forschung einerseits und dem Wirtschaftsministerium andererseits? War die angekündigte Technologieoffensive nur das Argument für die Schaffung neuer Berufsbezeichnungen?
Es ist zum Beispiel dem Bericht zu entnehmen, daß es in Hinkunft Systemgastronomen geben soll. Es klingt nicht nur das Wort meiner Meinung nach etwas technokratisch, sondern gerade in der Gastronomie haben wir auch bereits genug Pseudoberufsbezeichnungen, wie am Beispiel des Hotelgastronomieassistenten festgestellt werden kann. Man hat diesen Beruf geschaffen, junge Menschen konnten diesen Ausbildungsweg gehen, aber in Wahrheit haben sie, wenn sie diese Berufsausbildung abgeschlossen haben, keine Chance, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, da sie – salopp gesprochen – weder Fisch noch Fleisch sind, da sie weder Koch, Kellner noch Rezeptionist sind.
Meine Damen und Herren! Herr Minister! Hier erwarten wir Antworten, hier sind Sie gefordert! Oder wollen Sie, Herr Bundesminister, jungen Menschen genauso Hoffnungen machen, die dann nicht erfüllt werden können, nicht realisiert werden können? Befinden Sie sich da im Einklang mit dem Bundeskanzler?
Meine Damen und Herren! Diesen Eindruck, daß falsche Hoffnungen geweckt werden, habe ich auch, wenn ich als Steirer an die Diskussion um die sogenannte Lehrwerkstätte in Fohnsdorf denke. Wir Steirer hatten das Gefühl, daß dort der Schwanz mit dem Hund zu wedeln begann, denn ansonsten, Herr Minister, kann es nicht sein, daß der Obmann der steirischen Wirtschaftskammer und Vorsitzende des Wirtschaftsbundes Mühlbacher über das Schicksal der
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