Bundesrat Stenographisches Protokoll 641. Sitzung / Seite 125

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ausnahme von der Anwendung der österreichischen Gesetze im Bereich der Sozialversicherung – das soll übrigens auch für österreichische Staatsbürger, die im Sprachzentrum tätig sind, gelten – und um eine rückwirkende Vergütung der Mehrwertsteuer, beginnend mit 9. Mai 1995, für den Sprachzentrum-Exekutivdirektor und dessen Stellvertreter.

Ähnliche Regelungen, die sogar noch weiter gehen, soll es für die Richter des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes geben, und zwar nicht nur für sie selbst, sondern auch für deren Familienangehörige. Begründet wird dies damit, daß die Einräumung dieser Privilegien und Immunitäten notwendig sei, um die richterliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Wenn tatsächlich derartige Privilegien und Immunitäten notwendig sind, um richterliche Unabhängigkeit zu gewährleisten, dann muß man sich fragen, ob das nicht ein reichlich verkehrter Gedankengang ist. Da werden sich auch die österreichischen Richter und die Richter in anderen Staaten reichlich wundern, von denen man selbstverständlich richterliche Unabhängigkeit auch dann verlangt, wenn es keine derartigen Zusatz-Schmankerln gibt.

Meine Damen und Herren! Ich denke, es wäre überhaupt hoch an der Zeit, sich generell um die vielfachen Ausnahmeregelungen für diverse internationale Organisationen zu kümmern beziehungsweise sie anzusehen. Diese Ausnahmen sind meines Erachtens in vielen Bereichen längst nicht mehr zu rechtfertigen. Die freiheitliche Fraktion wird daher diesen beiden Vorlagen nicht zustimmen, schon gar nicht, wenn es, wie im gegenständlichen Fall, auch noch darum geht, gewisse dieser Regelungen sogar noch rückwirkend einzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm das Wort.

17.14

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Riess-Passer hat in ihrem kritischen Beitrag betreffend Immunitäten sicherlich übersehen, daß es sich dabei um diplomatische Usancen handelt. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das habe ich nicht übersehen!) Es geht dabei um Personen, die im Dienst internationaler Organisationen europaweit tätig sind. Sie sind daher ohne weiteres mit Diplomaten vergleichbar.

Die Menschenrechtsstandards sind leider noch immer nicht in allen europäischen Staaten, auch nicht in allen Mitgliedstaaten des Europarates als gleichwertig zu bezeichnen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll für die Durchsetzung der Menschenrechte in allen Staaten des Europarates sorgen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, Frau Riess (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Riess-Passer!)  – Riess-Passer; Entschuldigung! –, daß Richter wegen ihrer ungeschützten Familienangehörigen unter Druck gesetzt werden, um sie in ihrer Entscheidung zu beeinflussen. Um auch diese – sicherlich kriminelle – Facette auszuschließen (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wie ist es mit der Steuerfreiheit?) , ist es, so glaube ich, gerechtfertigt, auch Vorrechte für die Familienangehörigen gelten zu lassen.

Sicherlich kann man über die Steuerfreiheit diskutieren. Das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Aber man darf nicht übersehen, daß der Europarat wie alle anderen internationalen Organisationen seine Bediensteten nach internationalen Schemata bezahlen muß, egal, in welchem Land seine Mitarbeiter tätig sind.

Es ist schon erwähnt worden, daß wir uns heute mit zwei Abkommen auseinanderzusetzen haben: Das eine betrifft das Europäische Zentrum für lebende Sprachen – samt Briefwechsel –, das andere den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich mißt der 1950 unterzeichneten und 1953 in Kraft getretenen Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundrechte besondere Bedeutung zu. Die Europäische Menschenrechtskonvention hat in der österreichischen Rechtsordnung Verfassungsrang. Das heißt, daß die in der Konvention und deren


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite