Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 64

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stimmungen des AVG belassen kann oder daß sie die Bestimmungen über Großverfahren anwendet, wenn dies der Sache und den Interessen der Beteiligten dienlich erscheint.

Die Bestimmungen über Großverfahren eröffnen die Möglichkeit, das erstinstanzliche Verfahren im Wege eines Ediktes durchzuführen. Ein solches Edikt hat einer Reihe von Formvorschriften zu entsprechen, zu denen insbesondere eine ausreichende Beschreibung des projektierten Vorhabens zählt.

Ferner hat das Edikt eine sechswöchige Frist zu eröffnen, innerhalb derer die Parteien schriftlich Einwendungen erheben können. Ferner ist auf die Präklusionsfolgen des § 44b Abs. 1 AVG zu verweisen, wonach Personen ihre Stellung als Partei dann verlieren, wenn sie nicht binnen der sechswöchigen Frist rechtzeitig bei der Behörde schriftliche Einwendungen erheben.

Das Edikt ist im redaktionellen Teil zweier im Bundesland weit verbreiteter Tageszeitungen und im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" zu verlautbaren. Die Kundmachung ist in der Zeit vom 15. Juli bis 25. August und vom 24. Dezember bis 6. Jänner, also in den Ferienwochen, nicht zulässig. Im übrigen kann die Behörde jede geeignete Form der Kundmachung zusätzlich wählen.

Auch der Materiengesetzgeber kann zusätzliche Erfordernisse, wenigstens für die Kundmachung einer mündlichen Verhandlung, vorsehen. Ferner kann die Behörde eine öffentliche Erörterung des Vorhabens durchführen. Hierüber ist allerdings keine Niederschrift zu erstellen. Es ist demnach davon auszugehen, daß im Zuge einer öffentlichen Erörterung Einwendungen nur dann erhoben werden können, wenn sie in schriftlicher Form dem zuständigen Vertreter der Behörde übergeben werden. Inhalt der öffentlichen Erörterung sind sozusagen nur der Disput und der Dialog sowie allenfalls eine sachverständige Erläuterung des Vorhabens.

Eine Kundmachung durch Edikt ermächtigt die Behörde, auch Schriftstücke durch Edikt zuzustellen. Durch ein zulässiges Ediktalverfahren kann das vermieden werden, was die Verwaltungsrechtswissenschaft die Rechtsfigur des übergangenen Nachbarn nennt. Ist die Behörde gehalten, wie dies nach geltendem Recht der Fall ist, alle bekannten Beteiligten persönlich zu laden, so bleibt – wie die Praxis zeigt – auch bei größter Sorgfalt der Behörde das Risiko, daß eine Partei nicht geladen werden kann, etwa weil ihre Betroffenheit ein Projekt betreffend beziehungsweise ihre Existenz der Behörde nicht bekannt ist und allenfalls auch gar nicht bekannt sein kann.

Dieses Risiko trägt letztlich jeder Beteiligte, der nie mit absoluter Gewißheit weiß, ob der ihm zugekommene Bescheid auch tatsächlich rechtskräftig ist, denn eine übergangene Partei kann sozusagen auf Knopfdruck selbst nach Jahren oder Jahrzehnten, wie dies schon der Fall war, ein vermeintlich rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren wieder aufrollen. Gegenüber dem Übergangenen konnte der Bescheid formell nie in Rechtskraft erwachsen, und demnach ist er, ohne daß dies aktenkundig wäre, auch nie in materieller Rechtskraft erwachsen.

Diese Lücken der Rechtskraft zu schließen ist gewiß ein rechtspolitisches Anliegen. Alle Beteiligten haben letztlich ein Anrecht darauf zu wissen, ob nun eine Sache endgültig abgeschlossen ist oder nicht. Der Preis dafür ist aber relativ hoch, denn immer noch bleibt die persönliche Zustellung von Erledigungen der Idealzustand. Aber da ist eben abzuwägen: Rechtskraft einerseits – persönliche Zustellung andererseits.

Ein stets komplizierter werdendes Rechtsleben tendiert dazu, Beschleunigung und Rechtssicherheit im Massenverfahren höher zu bewerten als die lückenlose Information der Beteiligten, zumal sie oft praktisch – wie eben dargelegt – gar nicht möglich ist.

Eine sehr weitgehende Änderung erfährt ein zweites Institut, das in der Verwaltungsrechtswissenschaft die Präklusion genannt wird. § 42 Abs. 1 AVG in der geltenden Fassung umschreibt sie so:

Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Ver


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