Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 65

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handlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen.

Die Annahme, daß eine Partei als zustimmend angesehen wird, läßt aber nach geltendem Recht keineswegs die Parteistellung des Präkludierten untergehen. Es sind ihm ungeachtet dessen nach geltendem Recht schriftliche Erledigungen weiterhin zuzustellen. Er kann auch Rechtsmittel erheben, soweit er sich dabei nicht auf Behauptungen stützt, die vor oder während der Verhandlung vorzubringen gewesen wären. Aber etwa in einer Berufung unrichtige rechtliche Beurteilung oder Aktenwidrigkeit geltend zu machen bleibt dem Präkludierten nach geltendem Recht unbenommen.

Nicht so der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates: Demnach verliert eine Partei ihre Stellung als Partei, wenn sie nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben hat. Dies bedeutet, daß die präkludierte Partei für das betreffende Verfahren in keiner Weise mehr existent ist. Sie ist sozusagen für dieses Verfahren untergegangen, nicht mehr vorhanden.

Ein der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgebildeter Rechtsbehelf soll dabei Härten vermeiden helfen. Das moderne Wirtschaftsleben erfordert eben erhöhte Aufmerksamkeit. Es muß uns allen als Bürger dieses Landes bewußt sein, daß die persönliche Zustellung, an die wir uns so gewöhnt haben, in Zukunft in vielen Fällen nicht mehr stattfinden kann.

Nicht unproblematisch ist ferner – darauf wird noch durch einen entsprechenden Entschließungsantrag eingegangen – die pauschale Derogation des § 82 Abs. 7 AVG, wie sie im Artikel 1 Z 47 des Entwurfes angeordnet wird.

Im übrigen ist der Gesetzesbeschluß des Nationalrates zu begrüßen, weil er zu einer Beschleunigung und zu einer Vereinfachung und damit zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreichs führt.

Ich darf in diesem Sinne namens meiner Fraktion beantragen, gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.21

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

18.21

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich mit den Vorrednern weitgehend übereinstimme. Bei dem vorliegenden Gesetzesvorhaben handelt es sich zweifellos um eine grundlegende Novellierung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Mit Fug und Recht kann einmal von einer echten Reform gesprochen werden, im Gegensatz zu gewissen Pensions- und Steuer"reformen". Warum handelt es sich um eine echte Reform? – Die Anpassung an die Bedürfnisse einer zeitgemäßen Verwaltung wird zweifellos zu einer erheblichen Erleichterung und Beschleunigung der Verfahren beitragen. Das kommt nicht nur der Effizienz der Erledigung der behördlichen Aufgaben, sondern ebensosehr dem Rechtsschutz des Bürgers zugute. – Also eine Verwaltungsreform im besten Sinne des Wortes.

Im einzelnen wird dies insbesondere durch die Straffung der mündlichen Verhandlung und ihre Entlastung von überflüssigen Formalismen erreicht. Begrüßenswert ist vor allem, daß im Gegensatz zum bisher geltenden Recht hinkünftig nicht nur formelle, sondern auch inhaltliche Mängel noch während des Verfahrens behoben werden können. Die Sachanträge können auch noch im Berufungsverfahren geändert werden. Wie viele entbehrliche Aufhebungen von Bescheiden, Neudurchführungen fehlerhafter Verfahren und unzweckmäßige Doppelverfahren dadurch vermieden werden können, versteht sich wohl von selbst.


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