Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 101

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Es wäre notwendig, daß hier die Mithilfe der Bevölkerung auch legistisch – so, wie ich es kurz angedeutet habe – in ein Gesetz Eingang fände. Dann könnten wir Freiheitlichen einer solchen Vorlage zustimmen, aber unter diesen Voraussetzungen können wir nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schaufler: Das ist die Scheinheiligkeit ...!)

20.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

20.54

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir meinen Debattenbeitrag eigentlich ersparen können, denn mein Kollege Leichtfried und auch Kollege Wilfing haben die Problematik der bosnischen Flüchtlinge hautnah an Sie herangebracht. Ich glaube, jeder, der gut zugehört hat, kann jetzt verstehen, wie es den einzelnen Flüchtlingen aufgrund der persönlichen Beispiele, die Sie hier geschildert bekommen haben, ergangen ist. Die beiden KoIlegen aus Niederösterreich, Leichtfried und Wilfing, konnten sich von der Situation der Flüchtlinge ein Bild machen.

Es gab ja in der Steiermark ähnliche Beispiele, und ich werde auch einige davon hier heute anführen. Ich kann mich nur nicht halten – muß ich ganz ehrlich sagen –, was die Argumentation, die von seiten der FPÖ gekommen ist, betrifft. Lieber Kollege Tremmel, das war eine laue Suppe von Argumenten, eine dünne Suppe! Sie haben versucht, irgendwie eine Gratwanderung zu machen, um nicht als unmenschlich abgestempelt zu werden. Sie haben das aber nicht zusammengebracht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie sind für mich in dieser Sache unglaubwürdig! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Bundesrat Gudenus ist ebenfalls unglaubwürdig. Sie haben wohl keine Ahnung, was diesen Flüchtlingen widerfahren ist. Ich habe in meinem Bezirk, in meiner Stadt – ich sage: in meiner Bezirksstadt – Leoben viele Jahre lang ein Flüchtlingsheim mitbetreut. Ich werde Ihnen dann einige Beispiele nennen, wie es meinen Kollegen und mir dabei ergangen ist.

Zuerst noch ein paar grundsätzliche Dinge, die uns in der Steiermark auch betreffen. Ich habe hier vorhin die Zahlen aus Niederösterreich gehört. Wir in der Steiermark haben zum Stichtag 1. Juli 1998 noch 634 De-facto-Flüchtlinge in Bundesbetreuung, 140 davon sind als arbeitsuchend gemeldet und konnten bis jetzt auch nicht integriert werden. Sie stammen ebenfalls aus der Republik Srpska und können aus vielerlei Gründen, lieber Herr Bundesrat Gudenus, nicht zurückkehren. Wenn ich Ihnen hier alle aufzählen würde, würden Sie es nicht glauben. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Erfahrungswerte hernehmen – wahrscheinlich aus der Zeitung oder sonst irgendwoher. Diese Leute können nicht zurückkehren! (Bundesrätin Haunschmid: Es können viele zurück!)

Es sind zum Teil rückkehrwillige Männer und Familien in ihre Heimat zurückgegangen, die vom Bund und vom UNHCR mit Materialien, mit Geldmitteln unterstützt wurden. Wissen Sie, was ihnen widerfahren ist? – Sie sind für 14 Tage hinuntergegangen, hatten die notwendigen Materialien, um ihre zerstörten Wohnungen oder Häuser aufzubauen, mußten aber nach zwei Wochen wieder heraufkommen, weil sie kein Geld mehr hatten, um sich zu verpflegen. Sie sind nach einer Woche wiederum hinuntergefahren und mußten feststellen, daß die ganzen Materialien gestohlen worden waren. – Könnt ihr euch das vorstellen – wie soll ich sagen –, wie diese Menschen von ihren Landsleuten denken, wenn sie wieder heraufkommen? Diese fragen sich dann: Bitte schön, wenn es uns jetzt wieder so geht, was sollen wir denn machen?

Lieber Herr Bundesrat Gudenus, so schaut es aus! Sie müssen sich einmal in solch eine Situation versetzen. Dann können Sie nicht so leichtfertig darüber hinwegreden. Sie plaudern – möchte ich wirklich sagen – leichtfertig über solche Schicksale hinweg. Da möchte ich Sie schon ersuchen, sich ein bißchen zusammenzunehmen und sich in die Situation dieser Menschen hineinzuversetzen!

Oder es heißt zum Beispiel: Diese Flüchtlinge wollen nicht arbeiten oder können keine Arbeit annehmen. Ich meine, es wurde vieles versucht, diesen Leuten Arbeit zu geben. Es läuft aber


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