Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 44

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Liberalisierung durchgesetzt. Dieses Gesetz ist kein Vorbild für eine fortschrittliche Wirtschaftspolitik, die notwendig wäre, um à la longue im harten internationalen Wettbewerbsumfeld bestehen zu können!

Sie werden jetzt sicherlich sagen, wir Freiheitlichen kritisieren wieder einmal alles und bringen keine konstruktiven Gegenvorschläge vor. (Zustimmung bei SPÖ und ÖVP.)  – Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen, und zwar erstens mit einem Zitat des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreters und Wirtschafts- und Finanzlandesrates von Oberösterreich Dr. Leitl und zweitens mit einem konstruktiven Gegenvorschlag.

Herr Dr. Leitl hat in einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 10. Juli 1998 folgendes gesagt. Da heißt es – ich zitiere –: Das neue Gesetz – gemeint ist das ElWOG – "sei wirtschaftlich nicht haltbar, zudem sei es verfassungswidrig und nicht EU-konform. ,Kleine und mittlere Betriebe sind vorerst vom günstigen Strombezug ausgeschlossen, stehen aber im Export genauso im harten Wettbewerb wie Großbetriebe‘, wendet sich Leitl gegen die gesetzliche Einschränkung, wonach erst ab dem Jahr 2004 kleine Betriebe mit neun GWh Jahresverbrauch ihren Stromlieferanten frei wählen dürfen. (...) Daß die Landesgesellschaften weiter über die alten Stromeinkaufsverträge an den Verbund gebunden sind, hält Leitl für Anachronismus. Dies sei absolut gegen die EU-Richtlinien. Die Union bezweckte mit der Liberalisierung des Strommarktes eine Verbilligung für Unternehmen, die dadurch im globalen Wettbewerb konkurrenzfähiger würden. Durch die freie Wahl des Lieferanten entstünde unter den Energieversorgern ein Preiskampf, wodurch die Tarife sinken. Diesem Gedanken widerspreche das Elwog." – Soweit Herr Landesrat Dr. Leitl.

Wir können uns dieser Kritik voll und ganz anschließen, und ich bin wirklich gespannt, meine Damen und Herren – besonders von der ÖVP, wiederum besonders aus Oberösterreich –, wie Sie bei diesem Gesetz abstimmen werden. Wenn Sie den Bundesrat nur als Blinddarmfortsatz des Nationalrates – oder als Apportiermaschine, wie heute Kollege Tremmel gemeint hat, oder als Abstimmungsmaschine, wie von Kollegen Gudenus bezeichnet – sehen, der den Willen der Bundesparteizentralen und der Regierung blind absegnen muß, dann werden Sie diesem Gesetz zustimmen. Vielleicht werden Sie auch, wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben, den Raum bei der Abstimmung verlassen. (Bundesrätin Kainz: Das heißt nicht "Blinddarmfortsatz", sondern "Wurmfortsatz"!)

Wenn Sie jedoch den Bundesrat als Vertretung der Länderinteressen im Parlament sehen, dann müssen Sie – besonders die Vertreter des Landes Oberösterreich! – angesichts der Kritik von Dr. Leitl gegen dieses Gesetz stimmen. Wir Freiheitlichen werden diesbezüglich eine namentliche Abstimmung verlangen.

Wir möchten Ihnen aber auch – in Form eines Entschließungsantrages – eine konstruktive Alternative aufzeigen, die die Forderungen von Dr. Leitl im großen und ganzen erfüllen würde.

Die Struktur der Energiewirtschaft ist ein Abbild der österreichischen Politik der vergangenen Jahre: Sie ist kleinkariert, ineffizient und privilegiendurchzogen. Das Prinzip der vergangenen Jahre war und ist immer noch: Der Bund schützt den Verbund, und die Länder schützen die Ländergesellschaften. (Bundesräte Eisl und Dr. Böhm : So ist es!)

Eine starke Zersplitterung einerseits und die monopolartige Situation in den Lieferanten-Kunden-Beziehungen andererseits haben zur Folge, daß die österreichische E-Wirtschaft international wirtschaftlich ineffizient ist. Die derzeitige Monopolstruktur erlaubt einen leichtfertigen Umgang mit den Ressourcen sowie bei den Aufwendungen und hat zu einer Anhäufung von Privilegien geführt. Die daraus entstehenden Kosten belasten über den Strompreis die Haushalte, das Gewerbe, die Klein- und Mittelbetriebe, die Industrie und die Landwirtschaft.

Eine Studie über den Vergleich der Industriestrompreise in Europa zeigt Österreich ganz klar fast an der Spitze, fast gleichauf mit Deutschland, mit einem Stromtarif von 1,03 S. Dem steht entgegen, daß Schweden, Norwegen und die übrigen skandinavischen Länder mit 44 Groschen teilweise Stromtarife von weit unter 50 Groschen haben. Wir haben also das Zweieinhalbfache der dortigen Preise.


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