Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 119

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Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Thumpser übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Herbert Thumpser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Der Bericht des Ausschusses für Umwelt, Jugend und Familie liegt Ihnen vor. Ich kann deshalb von einer Verlesung Abstand nehmen.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

16.30

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Bundesgesetz über die Errichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen möchte ich sagen, daß insbesondere junge Menschen in dieser Hinsicht gefährdet sind und Schutz und Unterstützung brauchen. In unserer hochtechnisierten Wohlstandsgesellschaft werden immer mehr Leute entwurzelt. Diesen Umstand nützen zunehmend Psychogruppen und Sekten und versuchen, die Sehnsucht nach Geborgenheit, Sinn und Orientierung im Leben für ihre Ziele zu mißbrauchen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf schwerpunktmäßig einige Gründe anführen, aus denen sich Personen durch die Aktivitäten von Sekten angesprochen fühlen. An vorderster Stelle stehen selbstverständlich die Unzufriedenheit im eigenen Leben, Mißerfolge in Schule, Familie und Beruf, zu großer Leistungsdruck, verstärkter Wunsch nach Zuwendung und Geborgenheit, zerbrochene Bindungen im Privatbereich und vieles mehr.

Besonders problematisch ist der Umstand, daß sich Personen im Einflußbereich von Sekten völlig von den Familienangehörigen und vom eigenen Freundeskreis distanzieren. Im Einzelfall scheint der Wert des Lebens dem Nutzen für die jeweilige Organisation untergeordnet zu sein. Diesen Umstand bestätigen Massenselbstmorde, die zum Teil erzwungen wurden, wie bei der Volkstemplersekte und den Sonnentemplern.

Probleme ergeben sich auch in den Bereichen Gesundheit und Krankheit – etwa in der Ablehnung von Bluttransfusionen –, Sexualität und Familie – es kommt häufig zum Bruch mit dem Ehepartner –, Kinder und Erziehung sowie auch in der Beziehung zu Staat und Politik, zum Beispiel in der Untersagung der Teilnahme an Wahlen.

Mit der Dokumentationsstelle sollte es gelingen, Wiederholungstäter zu erkennen, und mit der Informationsstelle sollten letztlich alle in diesem Zusammenhang offenen Fragen geklärt werden. Auch auf das breite Angebot der bestehenden Religionsgemeinschaften und kirchlichen Einrichtungen sollte verstärkt hingewiesen werden. Das ist in einer Zeit der Werteverschiebung und der fehlenden Orientierung vieler Leute sicherlich eine wichtige Entscheidung zur richtigen Zeit. Wie heißt es in der Broschüre des Bundesministeriums für Jugend und Familie? – "Wissen schützt vor Mißbrauch."

Wir von unserer Fraktion werden deshalb dem vorliegenden Gesetz unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger das Wort. – Bitte.


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