Bundesrat Stenographisches Protokoll 644. Sitzung / Seite 55

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verwirklicht wird oder ob letztlich der Weg das Ziel bleibt. Es werden zwei gravierende Punkte genannt, von denen der eine zum Nachteil der Länder, aber auch des Bundesrates, durch ein Drüberfahren der höchsten Exekutivorgane bereits abgehandelt worden ist, nämlich der Konsultationsmechanismus. In diesem Bereich, in dem es um den Steuerschilling des einzelnen geht und über den wir alle mitentscheiden, sind der Bundesrat und die Landtage völlig ausgeschlossen. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß das Exekutivorgan ein Verfassungsgesetz zu solch vitalen Fragen vorlegt, an dessen Vorbereitung eigentlich kein Abgeordneter dieser Kammer beteiligt war. – Nur das noch zur Förderalismusreform!

Ich möchte und muß noch ein paar andere Dinge nennen. Es wird immer gesagt, die Freiheitlichen wollten sich selbst in die Luft sprengen, weil sie die Anzahl der Abgeordneten reduzieren wollen. – Vergleichen Sie bitte einmal die Abgeordnetenanzahl Italiens, und zwar 615 Abgeordnete bei knapp 40 Millionen Einwohnern, mit jener Österreichs, nämlich 183 Abgeordnete bei 8 Millionen Einwohnern. Demzufolge müßten wir die Zahl der Abgeordneten auf ungefähr 150 verringern. – Auch darüber sollten wir einmal nachdenken, damit ein europäisches Gleichgewicht hergestellt wird.

Derzeit ist es so, daß die Anzahl der Mandate von der Anzahl der abgegebenen Stimmen berechnet wird und sich der Wähler damit manchmal wirklich geprellt und "papierlt" fühlt. Viele sagen, daß sie von allen Parteien genug haben, aber noch wählen gehen, und zwar ungültig, weil diejenigen, die sich irren, sind die Minderzahl. Daher schlage ich vor: Warum berechnet man die Mandate nicht aufgrund der Anzahl der abgegebenen Stimmen und wertet die ungültigen de facto als Wahlpartei? Das wäre eine kleine Peitsche, ein kleiner Fingerzeig, auch für die politischen Parteien, entsprechend tätig zu werden, denn wir haben den Willen des Bürgers, des Wählers zu respektieren. Dieser Wählerwille fällt aber im Moment unter den Tisch. – Das wären nur ein paar Anmerkungen, die ich dazu machen wollte.

Meine Damen und Herren! Abschließend muß ich sagen, ich bezweifle, ob das ein Demokratiepaket ist, weil allein das Procedere dazu nicht angetan war und auch die einzelnen Novellierungsvorschläge, die hier durchdiskutiert wurden, überbordend und nicht vereinfachend sind. Denn es ist selbstverständlich, daß es überall behindertengerechte Einrichtungen geben sollte. Ordentliche Gemeinden sorgen aber ohnehin dafür, deshalb müßte man es gar nicht festschreiben. Diese Regelungsflut hat erst vor kurzem der Präsident des Verfassungsgerichtshofes neuerlich kritisiert: Rechtsstaat erstickt an unvollziehbaren Gesetzen, heißt es in einer Zeitungsmeldung.

Meine Damen und Herren des Bundesrates! Machen wir bei dieser Regelungsflut nicht mit, sondern überlegen wir genau! Und unterstützen Sie zumindest unseren Entschließungsantrag und unseren Fristsetzungsantrag, damit wir sagen können: Jawohl, wir haben es denen einmal gesagt. Ob es etwas nützt, wissen wir nicht. Aber wenn wir es oft genug wiederholen, meine Damen und Herren, dann wird es nützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Albrecht Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

12.46

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist das gute Recht der Opposition, Vorschläge abzulehnen. Es ist das gute Recht der Opposition, eigene Vorschläge zu machen. Das gehört zum demokratischen Prozeß.

Es ist aber ein wenig merkwürdig, bei einer Vorlage, die im wesentlichen aus der Beratung eines Volksbegehrens im zuständigen Ausschuß des Nationalrates entstanden ist, eine nicht stattgefundene Begutachtung oder eine sehr knappe Begutachtungsfrist, die eine informelle gewesen sein muß, denn es gibt keine Begutachtung bei einem Volksbegehren, zu beklagen und hier einen Vorschlag zu bringen, bei dem man fragen muß – Sie verzeihen mir die selbstverständlich polemische Bemerkung –: Von wem haben Sie denn das begutachten lassen?


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