Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 37

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10.53

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Der vorliegende Entwurf beinhaltet gegenüber dem Ärztegesetz 1984 in der derzeit geltenden Fassung mehrere Neuerungen, die Ihnen bereits bekannt sind, wie etwa die Neustrukturierung der Organisation der Ärztekammer, die Schaffung bezugsrechtlicher Regelungen für die künftigen Absolventen der Studienrichtung Zahnmedizin – es ist Zeit, daß das kommt! –, die Schaffung neuer Grundlagen für das Sonderfach Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, die Schaffung eines, den praktischen Erfordernissen Rechnung tragenden, ärztlichen Disziplinarverfahrensrechts und die Neuregelung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht. – So heißt es in dieser Vorlage sehr neutral.

Die von mir genannten Punkte sind eigentlich schon die Kritikpunkte, die ich hier anschneiden möchte. Die Verschwiegenheitspflicht ist meiner Ansicht nach eine Aushöhlung der Anzeigepflicht des Arztes zum Nachteil von Kindern, Unmündigen und Wehrlosen, aber auch der ermittelnden Sicherheitsbehörden und somit des Rechtsstaates. Die Ausrede, die dabei immer wieder vorgebracht wird, lautet: Im alten Ärztegesetz war das auch nicht mehr so, und die Strafprozeßordnung hat das bereits derogiert. – Dem kann man teilweise beipflichten, aber es ändert trotzdem nichts an der Tatsache, daß man mit dieser Regelung de facto den Staatsanwalt bei sexuellem Mißbrauch von Kindern ausschaltet.

Die Jugendämter, die für die Anzeige vorgesehen sind, sind damit eindeutig überfordert. Das stellen nicht nur wir fest, sondern das haben auch verschiedene Landesregierungen in ihren Stellungnahmen dargetan. Die Jugendämter sind nicht nur personell überfordert, sondern auch bei der Beurteilung dieser Angelegenheiten materiell überfordert.

Ein anderer Bereich: Es ist kein tatsächlicher Rechtsanspruch auf Entgelt für die Turnusärzte im Gesetz enthalten. Der alte § 105 des Ärztegesetzes 1984 wurde nicht ins neue Gesetz übernommen! Zwar ist auf Drängen unserer Fraktion im Nationalrat eine diesbezügliche Ausschußfeststellung getroffen worden, aber eigentlich sollte man so etwas, wenn man schon ein neues Gesetz macht, gesetzlich verankern.

Ein besonderes Kapitel sind auch die Flüchtlingsärzte beziehungsweise der diesbezügliche neue § 4 Abs. 7 in Verbindung mit § 32, wodurch de facto die Supervollmacht bei der Ministerin liegt.

Oder: Die Ärzte wollten Kurien haben, de facto ist es aber zu einer ungeheuren Aufblähung der einzelnen Ärztekammern zuungunsten kleinerer Parteien gekommen. Wenn dieses Gesetz nun kurzfristig neu geschaffen worden wäre, dann könnte man diese Fehler vielleicht noch einigermaßen verstehen. Meine Damen und Herren! Es wurde aber zwölf Jahre lang über dieses Gesetz debattiert! Die Kammer hat seit acht Jahren darüber Kenntnis.

Das Hauptziel der Ärztekammer war die Reform, die Einteilung in Kurien, doch jetzt kommt es, wie ich schon ausgeführt habe, zu einer Aufblähung des Kammerapparates. Den pensionierten Ärzten wird quasi das Wahlrecht aberkannt. Die Anzeigepflicht für Ärzte im Fall von Kinderschändung fehlt. Und – ich habe es auch schon gesagt – die Regelung über das Studium der Zahnmedizin wird mit mindestens fünfjähriger Verspätung erst jetzt beschlossen.

Einen weiteren Punkt habe ich vorhin schon angeführt – man könnte sagen, ein Detail am Rande, ich bin aber anderer Ansicht –, und zwar betrifft das § 4 Abs. 7. In diesem Punkt ist beispielsweise enthalten, daß Flüchtlinge, die nach Österreich kommen und angeben, Arzt zu sein, diesen Beruf ausüben können, ohne nachweisen zu müssen, daß sie jemals eine entsprechende Prüfung oder das Doktorat gemacht haben. Es reicht – so heißt es hier im Gesetz – die Glaubhaftmachung.

Meine Damen und Herren! Bitte bedenken Sie: Ein österreichischer Student, der in Österreich Medizin studiert und diesen teilweise sehr dornigen Weg geht, muß sich dadurch doch ungleich behandelt fühlen! Ich finde, die Glaubhaftmachung allein ist nicht ausreichend!

Früher hat es – mir ist ein solcher Fall bekannt – die Nostrifikation gegeben. Mit dieser Nostrifikation konnte der Betreffende seinen Wissensstand nachweisen.


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