Diese Frist ließ sich von Anfang an immer dann schwer einhalten, wenn es einer beglaubigten Übersetzung dieser Unterlagen in die Sprache des ersuchten Staates bedurfte. Sobald sich die modernen technischen Mittel der Telekommunikation herausbildeten, entstand die Praxis, solche Ersuchen samt den Unterlagen zunächst per Telefax zu übermitteln, um die Frist zu wahren, und dann die Originaldokumente auf dem Postweg nachzureichen. Das vorliegende Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EU aus 1989 soll im Anschluß an diesen Erfahrungswert das Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen dadurch vereinfachen, daß dieses und die ihm angeschlossenen Begleiturkunden künftig allein mittels Telekopie, mittels Fernkopie übersandt werden können.
Diese Entformalisierung und damit verbundene Entbürokratisierung ist schon im grundsätzlichen zu begrüßen. Sie erleichtert und verbessert damit auch die institutionelle Zusammenarbeit der Justiz im Bereich der Strafrechtspflege. Zugleich trägt diese Zulassung moderner Übermittlungstechnik zur in jeder Hinsicht wünschenswerten Beschleunigung des Strafverfahrens bei – ein Gesichtspunkt, der nicht zuletzt auch dem Interesse an der effizienten Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität entspricht.
Dem stehen meines Erachtens keine ernsthaften Bedenken gegenüber, die vielleicht aus der fortan nicht mehr mit letzter Sicherheit verbürgten Originalität der Dokumente erwachsen könnten. Denn die Bezeichnung zentraler Behörden durch die einzelnen Vertragsstaaten, die für die Übermittlung wie auch für die Entgegennahme der Ersuchen und der Beweisurkunden zuständig sind, gewährleistet eine angemessene Kontrolle, die allfällige Schwachstellen der Telekopie ausgleicht – das umso mehr, als Österreich mit gutem Grund das Bundesministerium für Justiz als die für uns maßgebliche zentrale Behörde benannt hat.
Die nötige Geheimhaltung und der Datenschutz werden dadurch gewahrt, daß ein Kodierungsgerät, das an den Fernkopierer anzuschließen ist, die Vertraulichkeit der Übertragung durch verschlüsselten Austausch der betreffenden Informationen sichert. Es ist ferner Sache des ersuchenden Staates, die Übereinstimmung der zusätzlich zu seinem Ersuchen übermittelten Dokumente mit den Originalen für bescheinigt zu erklären. Zweifellos dient auch das dazu, die Echtheit der Auslieferungsunterlagen zu verbürgen.
Darüber hinaus räumt Artikel 4 Satz 2 der zuständigen Behörde des ersuchten Staates ein, daß sie bei Zweifeln an der Übereinstimmung der Urkunden mit den Originalen von der Behörde des ersuchenden Staates verlangen kann, daß sie innerhalb angemessener Frist die Originalurkunden oder beglaubigten Kopien davon auf dem diplomatischen oder dem sonst vereinbarten Wege vorlegt. All diese rechtsstaatlichen Kautelen erlauben es gewiß, der Ratifikation dieses Übereinkommens auch aus strenger österreichischer Sicht zuzustimmen.
Im folgenden wende ich mich nun der zweiten Vorlage zu, nämlich dem Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EU über das Verbot der doppelten Strafverfolgung. Unter allen so üblichen wie nichtssagenden diplomatischen Höflichkeitsfloskeln, die in die Präambeln derartiger Abkommen Eingang zu finden pflegen, akzeptiere ich als ihren Sachgehalt die Aussage, daß es der Zusammenarbeit in Strafsachen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens entspricht, das Verbot der doppelten Strafverfolgung in bezug auf ausländische Entscheidungen beziehungsweise Verfahren wechselseitig anzuerkennen.
Ganz zentral scheint mir hiebei aus der Sicht des strafgerichtlich Verfolgten die Garantie des Artikels 3 zu sein. Danach wird nämlich jede in einem Mitgliedstaat aufgrund rechtskräftiger Verurteilung wegen ein und derselben Straftat verhängte Freiheitsstrafe auf eine in einem anderen Vertragsstaat infolge erneuter Strafverfolgung zu verhängende Sanktion angerechnet. Bereits vollstreckte andere als freiheitsentziehende Sanktionen sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen.
Artikel 4 dient der Zielsetzung des Artikels 3. Denn danach ist die Behörde jenes Mitgliedstaates, der bereits ein rechtskräftiges Strafurteil über den Betroffenen gefällt hat, dazu verpflichtet, darüber dem anderen Mitgliedstaat, in dem der Verurteilte wegen derselben Straftat angeklagt wird, sachdienliche Auskünfte zu erteilen.
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