Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 75

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Meine Damen und Herren! Warum erwähne ich das? – Voriges Jahr gab es eine Gewerbestrukturerhebung. Da wurden Gewerbetreibende nach dem Zufallsprinzip ausgesucht. Sie bekamen sechs Seiten lange Fragebögen und 20 Seiten lange Erläuterungen zugeschickt. In Graz etwa waren das Dutzende Betriebe – vor allem kleinere –, die nicht in der Lage waren, diese auszufüllen. Postwendend kam vom Österreichischen Statistischen Zentralamt die Aufforderung, daß man Strafverfahren durchführen solle. Wir haben das in Graz nicht gemacht, wir haben einen Beamten detachiert, dorthin geschickt und gesagt, er solle den Betrieben beim Ausfüllen behilflich sein, man werde keine Strafe verhängen. Die Folge war, daß in dieser Causa ein achtseitiger Beschwerdebrief des Präsidenten Mag. Bader an den Grazer Bürgermeister gegangen ist.

Das muß man sich einmal vorstellen: Ein Inhaber eines kleinen Betriebes, eines Malerbetriebes, der darum kämpfen muß, Aufträge zu bekommen, muß so etwas am Abend durchlesen. Wenn er Glück hat, gibt er das seinem Steuerberater, und dieser füllt es dann aus. So obrigkeitlich kann man nicht vorgehen! Ich danke der Volksanwaltschaft, daß sie dieses Vorgehen in dieser Weise aufgedeckt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wäre höchst an der Zeit – in den Ministerien wird das durchgelesen –, das entsprechende Bundesstatistikgesetz und die dazugehörige Verordnung zu ändern. Bis jetzt ist das leider nicht erfolgt!

Man bräuchte nur ein paar Parameter hereinzunehmen, daß etwa bei diesen oder jenen Fällen von einer Befragung abzusehen ist – aus Krankheitsgründen oder sonstigen Gründen. Das wäre eine kleine Novellierung! Man beschließt unzählige solcher Novellierungen, nur in diesem Falle, bei dem es um das Wohl und Weh des Bürgers geht, hat man bis jetzt noch keine Novellierung durchgeführt.

Ein weiterer Bereich – ich danke den Damen und Herren der Volksanwaltschaft, die bekanntlich verschiedenen politischen Gruppierungen angehören und die gerade aus ihrer Tätigkeit heraus als seinerzeitige Parlamentarier wissend etwas aufgegriffen haben, das nach wie vor wie eine Wunde schwärt – ist der Proporz, nämlich der Proporz bei der Vergabe von Leiterstellen. Hier wurde mit Akribie ein Fall des Wiener Stadtschulrates aufgelistet, und zwar wie ein Direktorposten bereits vorher vergeben wurde, obwohl erst nachher die entsprechenden Verfahren gelaufen sind. Da wurde eindeutig die Objektivierung durchbrochen.

Die Auffassung der Volksanwaltschaft ist folgende – ich zitiere –: Nach Auffassung der Volksanwaltschaft werden, solange die Zusammensetzung der vorschlagsberechtigten Kollegien der Bezirks- und Landesschulräte nach dem Parteienproporz erfolgt, auch Objektivierungsmaßnahmen nichts daran ändern, daß die Entscheidungen dieser Gremien überwiegend von parteipolitischen Überlegungen geprägt sind. Die Volksanwaltschaft bleibt daher bei ihrer Forderung nach Aufhebung des verfassungsrechtlich verankerten Parteienproporzes in den Kollegien. – Zitatende. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch in diesem Fall ist der Volksanwaltschaft herzlich zu danken, daß sie dieses Thema berechtigterweise aufgegriffen hat und bei dem eigentlich alle innerlich zu nicken beginnen. Wir alle wollen den Proporz in dieser Form nicht! Nur muß dessen Abschaffung endlich einmal verwirklicht werden. Es gab schon Ansätze für diese Verwirklichung, nämlich das sogenannte "Schilcher-Papier", das vom seinerzeitigen Präsident des steirischen Landesschulrates stammt. Dieses Papier ist in den Bundesländern reihum gegangen. Da hat man bereits neue Vorgangsweisen geprägt; unter anderem ist es auch vom Wiener Stadtschulratpräsidenten Scholz unterzeichnet worden. Nur jetzt kann man sich offensichtlich nicht mehr daran erinnern. Der Hinweis der Volksanwaltschaft ist hier wirklich mahnendes Gewissen.

Es gibt noch viele andere Punkte: ob das der Bereich des Rundfunks ist, ob das der Bereich der Schadenersatzleistung ist, die gesetzliche Verankerung von Zivilrechtsstreitigkeiten, das Betriebsordnungsrecht oder der Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes. Es gibt Hunderte solcher Anregungen. Lesen Sie den Anhang! Es wäre für die Abgeordneten des Nationalrates, aber auch für uns Bundesräte – so wie es Kollege Jaud heute in seiner sehr beachtlichen Rede


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