Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 100

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uns bekanntlich nicht nahesteht – sagen würde, dann wäre es gut. Aber in allen Gazetten des deutschen, des englischen und des französischen Sprachraums steht das gleiche: Warum der Gipfel? – Subsidiarität hätte stattfinden sollen. – Verstimmung in Paris vor dem Pörtschach-Gipfel. – So ist abgestimmt worden! So war die Tour des Herrn Bundeskanzlers!

Mich wundert es natürlich nicht, Herr Staatssekretär! Sie sind als Inkarnation des Herrn Bundeskanzlers eine arme Haut. (Heiterkeit. – Staatssekretär Dr. Wittmann: Artikel 75 der Bundesverfassung bin ich!) Ja, ich nehme all das zur Kenntnis. Ich weiß, das haben Sie mir draußen schon gesagt.

Aber jetzt hat der Herr Bundeskanzler die Tour noch nicht ganz überstanden. – Das heißt, eigentlich hat er sie schon überstanden. Jeder hat ihm ein Packerl mitgegeben, und andere haben ihm gesagt: Bitte, Herr Bundeskanzler, Herr Vorsitzender, was soll das Ganze?

Die Einbringerin unserer dringlichen Anfrage, Frau Dr. Riess, hat es schon erwähnt: Jacques Santer hat gesagt: Wir werden nachdenken, nur worüber wir nachdenken, wissen wir noch nicht so genau. (Bundesrat Meier: Warum fährt er dann hin?)  – So wurde es ihm gesagt, und er ist immerhin Vorsitzender der Kommission, Herr Kollege Meier!

Jetzt werde ich ein wenig weiterzitieren, und ich werde auch ein bißchen konkret werden, meine Damen und Herren, weil das wirklich ein An-der-Nase-Herumführen des österreichischen Bürgers ist, was hier betrieben wird.

In dem "Standard" heißt es weiter: "Die EU-Erweiterung nach Ostmitteleuropa müßte Österreichs ureigenes Thema sein, aus bekannten Gründen. Die Ankündigungen haben sich in Luft aufgelöst. Zu groß ist die Angst der Regierungspolitiker, mit diesem Thema Wahlen zu verlieren."

Jetzt darf ich zu Ihnen kommen, Herr Staatssekretär! (Bundesrat Dr. Linzer: Das ist eine Drohung! – Staatssekretär Dr. Wittmann: Kommen Sie nur zu mir!) Ich drohe überhaupt nicht! Herr Kollege Linzer! Wir sind beide Juristen und gesetzestreue Bürger; Sie können mir so etwas nicht unterstellen!

Herr Staatssekretär! Sie haben den Fortschreibungsbericht erwähnt, den die Regierung und die einzelnen Länder bezüglich der Beitrittskandidaten im November in Luxemburg vorlegen werden. Das haben Sie in Ihrer Beantwortung erwähnt. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Erstens legen wir nichts in Luxemburg vor, und zweitens: Nicht die Regierung, sondern die Kommission macht den Bericht und legt ihn vor – und nicht in Luxemburg!) Der Kommission legen Sie es vor. Na gut, okay. Sie wissen es genau. Wollen wir doch nicht Wörter klauben. Wird dieser Fortschreibungsbericht vorgelegt, ja oder nein? (Staatssekretär Dr. Wittmann: Aber durch die Kommission, nicht durch die Regierung!) Er wird vorgelegt, so hat es die Kommission bestimmt.

Ich sage Ihnen noch etwas: Der Vorsitzende, das vorsitzführende Land hat dafür zu sorgen, daß die entsprechenden Mechanismen und Gesetzlichkeiten, die sie sich selbst gegeben haben, eingehalten werden. Ich komme jetzt nicht auf den wirtschaftlichen Bereich zu sprechen, sondern auf den Menschenrechtsbereich.

Im Abkommen von Kopenhagen 1993 und dem in Ratifizierung befindlichen EU-Vertrag, Artikel 6, heißt es, daß die Beachtung der Menschenrechte zwingender, imperativer Auftrag ist. Das wissen alle, und das hat zum Beispiel Herr Außenminister Schüssel in der letzten diesbezüglichen Parlamentsdebatte, als wir eine Dringliche eingebracht haben, durchaus zugegeben. (Bundesrat Bieringer: In der Nationalratsdebatte!) "Parlament" ist die Zusammenfassung von Nationalrat und Bundesrat, also: Nationalratsdebatte. Ludwig, es ist aber gut, wenn du hin und wieder einen Zwischenruf machen kannst.

Hier gibt es das Problem der AVNOJ-Gesetze von Jajce und Belgrad. Herr Bundesminister Schüssel hat den Völkerrechtler Zemann zitiert und gesagt, de facto sei das totes Recht.


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